Die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns vor einem Jahr ist geglückt. Die Befürworter dringen bereits auf eine Anhebung zum 1. Januar 2017. So kann die Erfolgsstory fortgeschrieben werden, meint der StZ-Autor Matthias Schiermeyer.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Glück gehabt! Weil die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns in eine Phase des robusten wirtschaftlichen Wachstums und der Rekordbeschäftigung fiel, haben die 8,50 Euro keinen Schaden angerichtet. Vielmehr ist das Gegenteil des von Kritikern Befürchteten eingetreten: Auch wegen des Mindestlohns gibt es mehr sozialversicherungspflichtige Jobs in den Niedriglohnbranchen. Ganz abgesehen vom Kaufkraftgewinn, der in den Konsum fließt und den Aufschwung stützt – und ebenso abgesehen vom Signal an die Betroffenen, dass ihre Arbeit nun einen Wert hat. Die höheren Preise etwa beim Friseur sollte sich diese Wohlstandsgesellschaft ohne weiteres leisten können.

 

Die große Bewährungsprobe kommt noch

Auf eine echte Bewährungsprobe wird der Mindestlohn aber erst gestellt, wenn die Konjunktur nachlässt. Dann muss sich zeigen, ob die Dienste sogenannter Billiglöhner überall bezahlbar bleiben. Darauf wollen die Befürworter naturgemäß nicht warten. Schon jetzt plädieren sie auf breiter Front für eine Anhebung zum 1. Januar 2017. Zu ihnen gehört die SPD-Arbeitsministerin: Andrea Nahles betont zwar die Unabhängigkeit der Mindestlohn-Kommission von der Bundesregierung, sollte ihre unverhohlenen Ratschläge an das Expertengremium aber dennoch lassen. Sie könnten als Druck aufgefasst werden und die emotionale Debatte, wie sie noch vor einem Jahr mit teils abstrusen Argumenten geführt wurde, neu entfachen. Die Erfahrung zeigt, dass eine nüchterne Betrachtung dem Thema viel eher angemessen ist.

Eine politische Festsetzung der Mindestlohnhöhe ist zu vermeiden – sonst würde die Diskussion Wahlkämpfe dominieren und Überbietungswettläufe auslösen. Fakten zählen, und bei deren Betrachtung ist eine schrittweise Anhebung auf bis zu neun Euro bei günstiger Wirtschaftslage gut zu rechtfertigen. Das allgemein steigende Tariflohnniveau gibt die Richtung vor.