Der Wind bläst Gabriele Warminski-Leitheußer heftig ins Gesicht, im Lauf des Jahres hat er sich zu einem veritablen Sturm entwickelt. Aber die Kultusministerin stemmt sich dagegen. Sie klagt über „völlig überzogene Kritik“, spricht von „Kesseltreiben“, und sie zeigt sich entschlossen: „Ich will das durchstehen“. Die große Frage ist, will ihre Partei das auch. Auf Zuspruch aus den eigenen Reihen wartet die Ministerin häufig vergebens. Mitte Dezember wehrten die Regierungsfraktionen im Landtag zwar pflichtgemäß den Entlassungsantrag der Opposition gegen Warminski-Leitheußer ab, doch in der Vorstandssitzung tags darauf nahmen die Granden der SPD regungslos zur Kenntnis, dass ihre Genossin in Zukunft weniger Angriffsflächen bieten will – beispielsweise wenn es um die Einhaltung von Terminen geht. Der Parteichef Nils Schmid laviert. Die Fraktion bleibt distanziert. Die Ministerin steht weitgehend isoliert da.

 

Wie zum Beweis, dass sie nun das Heft des Handelns in die Hand nehmen will, überraschte Warminski-Leitheußer am Tag des Entlassungsantrags damit, dass sie ihren Pressesprecher kurzerhand schasste. Auch die Leiterin der Zentralstelle im Ministerium muss gehen. Beide waren in der SPD-Fraktion tätig, ehe sie ins Ministerium wechselten. Die Zentralstelle wird mit dem Ministerbüro zusammengelegt, ob sich die Zusammenarbeit im Ministerium nun verbessern wird, muss sich erweisen.

Die Lehrerverbände zweifeln unverhohlen an der Kompetenz der Ministerin. Die Kommunen, wichtige Verhandlungspartner bei der Gestaltung der zukünftigen Schullandschaft, finden die Gespräche mit der freundlichen Westfälin zwar angenehm, aber meist wenig gehaltvoll. Selbst Nils Schmid kritisiert offen handwerkliche Schwächen seiner Ministerin bei der Umsetzung der bisherigen Reformen. Der Start der ersten 40 Gemeinschaftsschulen in diesem Herbst ist zwar getragen von einer Welle von Enthusiasmus bei den Pionieren, doch einen Plan, welchen Kriterien zukünftige Schulen folgen sollen, gibt es nicht.

Bis 2020 werden fast 12.000 Lehrerstellen gestrichen

In der Bildungspolitik ist die grün-rote Koalition mehrfach Opfer ihrer eigenen Begeisterung geworden. Fragen wie die Umsetzbarkeit und die Folgen der zahlreichen Reformen gerieten in den Hintergrund. Die verbindliche Grundschulempfehlung wurde abgeschafft, von dem Willen beseelt, kein Kind beschämen zu wollen und die soziale Gerechtigkeit zu erhöhen. Vergessen wurde, dass Lehrer anders eingesetzt werden müssen, wenn die Kinder andere Schularten wählen.

Kultusministerin im Gegenwind

Der Wind bläst Gabriele Warminski-Leitheußer heftig ins Gesicht, im Lauf des Jahres hat er sich zu einem veritablen Sturm entwickelt. Aber die Kultusministerin stemmt sich dagegen. Sie klagt über „völlig überzogene Kritik“, spricht von „Kesseltreiben“, und sie zeigt sich entschlossen: „Ich will das durchstehen“. Die große Frage ist, will ihre Partei das auch. Auf Zuspruch aus den eigenen Reihen wartet die Ministerin häufig vergebens. Mitte Dezember wehrten die Regierungsfraktionen im Landtag zwar pflichtgemäß den Entlassungsantrag der Opposition gegen Warminski-Leitheußer ab, doch in der Vorstandssitzung tags darauf nahmen die Granden der SPD regungslos zur Kenntnis, dass ihre Genossin in Zukunft weniger Angriffsflächen bieten will – beispielsweise wenn es um die Einhaltung von Terminen geht. Der Parteichef Nils Schmid laviert. Die Fraktion bleibt distanziert. Die Ministerin steht weitgehend isoliert da.

Wie zum Beweis, dass sie nun das Heft des Handelns in die Hand nehmen will, überraschte Warminski-Leitheußer am Tag des Entlassungsantrags damit, dass sie ihren Pressesprecher kurzerhand schasste. Auch die Leiterin der Zentralstelle im Ministerium muss gehen. Beide waren in der SPD-Fraktion tätig, ehe sie ins Ministerium wechselten. Die Zentralstelle wird mit dem Ministerbüro zusammengelegt, ob sich die Zusammenarbeit im Ministerium nun verbessern wird, muss sich erweisen.

Die Lehrerverbände zweifeln unverhohlen an der Kompetenz der Ministerin. Die Kommunen, wichtige Verhandlungspartner bei der Gestaltung der zukünftigen Schullandschaft, finden die Gespräche mit der freundlichen Westfälin zwar angenehm, aber meist wenig gehaltvoll. Selbst Nils Schmid kritisiert offen handwerkliche Schwächen seiner Ministerin bei der Umsetzung der bisherigen Reformen. Der Start der ersten 40 Gemeinschaftsschulen in diesem Herbst ist zwar getragen von einer Welle von Enthusiasmus bei den Pionieren, doch einen Plan, welchen Kriterien zukünftige Schulen folgen sollen, gibt es nicht.

Bis 2020 werden fast 12.000 Lehrerstellen gestrichen

In der Bildungspolitik ist die grün-rote Koalition mehrfach Opfer ihrer eigenen Begeisterung geworden. Fragen wie die Umsetzbarkeit und die Folgen der zahlreichen Reformen gerieten in den Hintergrund. Die verbindliche Grundschulempfehlung wurde abgeschafft, von dem Willen beseelt, kein Kind beschämen zu wollen und die soziale Gerechtigkeit zu erhöhen. Vergessen wurde, dass Lehrer anders eingesetzt werden müssen, wenn die Kinder andere Schularten wählen.

Dass bis zum Jahr 2020 insgesamt 11 600 Lehrerstellen gestrichen werden, kommt bei den Parteigängern von Grün-Rot gar nicht gut an. In anderen Ministerien gab es keine vergleichbaren Einschnitte. Das wird der Ministerin angelastet, sie habe sich nicht genügend gewehrt, lautet der Vorwurf. Die Kultusministerin schien die Streichankündigung des Ministerpräsidenten sogar unerwartet getroffen zu haben. Nachhaltiger kann man eine Verantwortliche kaum beschädigen. „Die Bildung hat keine starke Stimme mehr“, macht die GEW ihren enttäuschten Erwartungen Luft. Nun gelte für die Bildungspolitik: „kein Plan, kein Geld, keine Perspektive“. Das sitzt. Galt doch die GEW als quasi natürliche Verbündete für die Reformen.

Es rumpelt schon bei den Einzelschritten gewaltig, doch hat sich Grün-Rot etwas viel Größeres vorgenommen. Das Schulsystem in Baden-Württemberg soll zweigliedrig werden. Das hat sich erst im Lauf des Jahres herauskristallisiert. Verkündet wurde es nicht von der Kultusministerin, sondern vom grünen Ministerpräsidenten und seiner Fraktionsvorsitzenden.

Ministerin ist ohne Parteirückhalt zum Scheitern verurteilt

Ein derartiger Umbau ist eine Herkulesaufgabe. Über kurz oder lang sollen alle Schularten außer dem Gymnasium in der neuen Gemeinschaftsschule aufgehen. Dass Gabriele Warminski-Leitheußer dieser Aufgabe gerecht werden könnte, bezweifeln viele. Fest steht aber, ohne den nötigen Rückhalt ihrer Partei und der Koalition ist sie zum Scheitern verurteilt.

Derzeit scheint sich Warminski-Leitheußer wie Münchhausen am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen zu wollen. Leichte Beruhigung zeichnet sich gegenüber den Kommunen ab. In die Diskussion über den Ganztagsbetrieb an Grundschulen kommt Bewegung, desgleichen in die Auseinandersetzung über die Genehmigung weiterer Gemeinschaftsschulen. Die Hauptaufgabe des kommenden Jahres wird die regionale Schulentwicklung werden. Die Kommunen wollen im Januar in die Gespräche eintreten. Es ist zu klären, welche Schulen langfristig überleben können und welche geschlossen werden müssen. Für diese heikle, unpopuläre Aufgabe braucht es eine starke Ministerin. Darin zumindest sind sich die Fraktionen einig.

Zum Schwur kommt es spätestens im Februar. Frank Mentrup, der Staatssekretär im Kultusministerium, geht im März als Oberbürgermeister nach Karlsruhe. Aufatmen kann die Ministerin nur kurz. Es sei klar gewesen, dass die Ministerin „in diesem Fall gestützt wird“, kommentierte Nils Schmid den Entlassungsantrag und eröffnete damit weite Interpretationsspielräume. Dass er nur einen neuen Staatssekretär berufen wird, glauben derzeit die wenigsten. Aber es drängt sich keine Idealbesetzung auf, klagen die Kritiker der Ministerin ratlos. Sie wollen, dass weiter gesucht wird, denn auch darin sind sich alle einig: Bliebe Warminski-Leitheußer nur im Amt, weil sich keine Alternative fände, wäre das weder ihr noch der Sache dienlich.

Autorin: Renate Allgöwer

Stillstand bei hoher Drehzahl

Große Versprechungen wecken große Erwartungen. Enttäuschte Erwartungen führen zu Frust. Davon hat sich in den Reihen der grün-roten Koalition bereits etlicher angesammelt, weil die „Politik des Gehörtwerdens“, das anmutige Versprechen der sich selbst so titulierenden „Bürgerregierung“, in ihrer praktischen Kristallisation noch auf sich warten lässt. Das Projekt der umfassenden Bürgerbeteiligung befindet sich in einem reichlich fluiden Zustand. Es ist da, es fließt dahin und dorthin, aber so richtig greifbar ist es – mit der Ausnahme der Volksabstimmung über Stuttgart 21 – noch nicht geworden.

Zugegeben: Spuren von mehr Bürgerbeteiligung lassen sich zuhauf finden: Fußabdrücke im Schnee (respektive Matsch), umgeknickte Äste, ein versehentlich verlorenes Taschentuch, dünne Rauchsäulen am Horizont. Beispiele? Die Studenten durften Anfang des Jahres via Internet über den Gesetzentwurf zur Wiedereinführung der Verfassten Studierendenschaft mitentscheiden, Umweltminister Franz Untersteller stützt seine Ideen zur Energiepolitik und zum Klimaschutz beim Bürger mittels Onlinebefragung und Diskussionsrunden ab. Ähnliches exerziert Alexander Bonde, der Minister für den ländlichen Raum, beim avisierten Nationalpark Nordschwarzwald durch. Zugleich steckt Bonde aber auch die Grenzen des Bürgerwillens ab: Die Abstimmung über ein Nationalparkgesetz obliege wie bei jedem Gesetzgebungsverfahren dem Landtag.

Gisela Erler, von Ministerpräsident Winfried Kretschmann eigens als Staatsrätin für Beteiligungsfragen bestellt, eilt von Workshop zu Kongress, von Vortrag zu Symposium. Rhetorisch ist sie ihrer Mission gewachsen. Und auch international zeigt sie sich auf der Höhe der Zeit. „How to make good citizen participation relevant in European regions“ lautete der Titel einer Veranstaltung, zu der sie Anfang Dezember eingeladen hatte, um Konzepte der Bürgerbeteiligung abzugleichen. Akademisch ist das alles tipptopp, doch die Praxis sieht freudloser aus. Da hakt es schon an der Frage, ob die Bauleitplanung für kommunale Bürgerentscheide taugt oder nicht. Die SPD meint: eher nein. Die Grünen sagen: aber ja doch.

Grüne stehen unter Druck ihrer Wähler

Mit ihren Kernprojekten kommt die grün-rote Koalition nicht voran. Dazu zählen die Änderung der Landesverfassung wie der Kommunalverfassung. Beides muss die Koalition hinbekommen, will sie erhobenen Hauptes in die nächste Landtagswahl gehen. Die Änderung der Landesverfassung zielt darauf ab, bei Volksabstimmungen auf Landesebene das Zustimmungsquorum von einem Drittel der Wahlberechtigten deutlich abzusenken. Das Problem mit dem Quorum ist seit dem Abstimmungskampf um S 21 bekannt. Eine Verfassungsänderung ist nur möglich, wenn die CDU mitspielt. Die SPD drängt auf eine Verständigung mit der Opposition. Die Grünen stehen unter dem Druck ihrer Klientel – der Verein „Mehr Demokratie“ will es darauf ankommen lassen, parallel zur Bundestagswahl eine Volksabstimmung über das Zustimmungsquorum abzuhalten. Der Haken: bei verfassungsändernden Volksabstimmungen gilt ein Quorum von 50 Prozent.

Kretschmanns Vorgänger Stefan Mappus glaubte noch im Einklang mit der CDU, die Bürger verlangten von der Politik Führung. Das führte dazu, dass er beim EnBW-Deal gegen die Verfassung verstieß. Und seine starken Sprüche für die Atomenergie entpuppten sich als heiße Luft, die schnell abkühlte. Grün-Rot hingegen hing der Meinung an, wenn man die Bürger nur machen lässt, dann ist man selbst aus dem Schneider. Aber auch diese Hoffnung erwies sich, wie der Filderdialog mit seinen enttäuschten Erwartungen zeigt, als trügerisch.

Autor: Reiner Ruf