Thomas Geyer war einer der Organisatoren der Deutschen Meisterschaften der Poetry Slammer, die im November an vielen Orten in der Stadt um die Wette reimten, knittelten und dichteten. Alle Veranstaltungen waren ausverkauft.

Stuttgart - Nach getaner Arbeit durften sich auch die Macher feiern lassen. Philipp Scharrenberg war soeben in der Liederhalle zum deutschen Meister der Wortfechter und Satzdrechsler gekürt worden. Sechs Minuten hatte er gebraucht, um die Juroren zu überzeugen; zwei Jahre waren Hanz, Nikita Gorbunov und Thomas Geyer sowie viele Mitstreiter damit beschäftigt, die Titelkämpfe zu organisieren. Scharrenberg und seine 119 Konkurrenten und Mitstreiter wussten, bei wem sie sich zu bedanken hatten. Also baten sie das Trio auf die Bühne, den Applaus der 2200 Besucher hatte es sich verdient. Wer sich das Foto anschaut, das an jenem Samstagabend im November entstand, merkt, dass es Thomas Geyer (44) fast zu viel der Aufmerksamkeit ist. Die beiden Rampensäue Hanz und Gorbunov baden im Beifall, kein Wunder, sind sie nicht nur Veranstalter, sondern auch veritable Slam-Poeten, die gerne auf der Bühne stehen. Geyer moderiert, werkelt aber ansonsten lieber im Verborgenen und bahnt den Dichtern den Weg.

 

So war das schon damals , als Student der Soziologie und Germanistik in Konstanz. Er ist damals immer zu Poetry-Slams in die Schweiz gefahren, weil Konstanz zwar eine Stadt voller Studenten ist, aber vor allem den Touristen dient. „Es gab kaum Orte für Subkultur“, erinnert sich Geyer. Also erfand er einen. Anfang 2002 veranstaltete er einen Poetry-Slam bei Blumen Peter in der Konstanzer Innenstadt – der Name legt es nahe, das ist ein Blumenladen. „Der stand leer, wir haben eine Anlage reingestellt und einfach losgelegt.“ Das Publikum war begeistert. Und Geyer ist in seinen künftigen Beruf als Impresario „reingerutscht“.

Timo Brunke übergab ihm den Slam in der Rosenau

Er gründete einen kleinen Verlag namens Sprechstation, organisierte Lesetouren, veranstaltete Konzerte, Partys und natürlich Poetry-Slams. Vor elf Jahren kam er nach Stuttgart. Weil sich in der Szene jeder kennt, hatte Geyer auch mit dem Großmeister der Stuttgarter Szene, Timo Brunke, Kontakt. Wie der Zufall wollte, spielte Brunke mit dem Gedanken, seinen Slam in der Rosenau in andere Hände zu geben. Geyer: „Er hat mich gefragt: Möchtest Du weitermachen?“ Geyer wollte. Mittlerweile hat er ziemlich viele Veranstaltungen in seinem Portfolio. In der Rosenau und im Keller Klub organisiert er Wettstreite der Dichter, aber auch im Gazi-Stadion und im Theaterhaus. Er lässt sogar Tote wieder auferstehen. Bei Dead or Alive wetteifern lebendige Slam-Poeten mit toten Dichtern, die von Schauspielern verkörpert werden. Der Gewinner bekommt eine Flasche Whisky.

Hanz tritt seit 2008 auf, tourt, veranstaltet, lehrt Poetry-Slam an der Pädagogischen Hochschule. Er wollte Lehrer werden, dann kam ihm das Dichten dazwischen. Gorbunov ist Tontechniker, aber „hatte schon immer den Drang, auf der Bühne zu stehen, das ist wie eine Krankheit, die einen nicht mehr loslässt“. Als junger Kerl war er lieber Hip-Hopper, „dreckig und ehrlich“. Von Slam-Poetry hielt er nicht viel, „das fand ich nie authentisch, da gewinnen nur die Lustigen, der gut aussehende Lockenkopf aus Berlin“. Aber er stellte bald fest, dass man auch ohne Locken Geschichten erzählen kann. Und auch er veranstaltet und lehrt.

Recht viel Expertise ist da beieinander. Also trauten sie sich zu, die deutschen Meisterschaften der Slam-Poeten zum zweiten Mal nach 2004 nach Stuttgart zu holen. Sie bekamen den Zuschlag der Vollversammlung. In diesem Bundestag der Dichter ist grob gesagt jeder stimmberechtigt, der einen Slam in Österreich, Deutschland und der Schweiz veranstaltet.

Zwei Jahre Knochenarbeit

Damit begannen zwei Jahre Knochenarbeit. „Die Dimension war enorm“, sagt Geyer, die Veranstaltung selbst und deren Finanzierung ist nicht alles. „Du musst die Gäste betreuen, Tausend Übernachtungen buchen, Mittagessen organisieren.“ Die Heinzelmännchen im Vorbereitungsteam waren schwer beschäftigt.

Es hat sich gelohnt. 10 000 Zuschauer an vier Tagen, alle Veranstaltungen ausverkauft, besser geht es nicht, oder? „Die Resonanz war riesig“, sagt Geyer, „aber am letzten Tag war ich völlig kaputt.“ Während der Meisterschaften hatte ständig sein Handy geklingelt, mal war ein Poet verloren gegangen, mal fehlte das Kleingeld oder das Werbematerial. Also verließ er die After-Show-Party nach einem Absacker an der Hotelbar des Maritim ziemlich zügig, „Ich wollte nur noch ins Bett und schlafen.“

Machen würde er es jederzeit wieder. Doch nun sind erst mal andere dran. 2017 sind die Titelkämpfe in Hannover. Eines kann man jetzt schon sagen: Der Stuttgarter Siegespreis wird an Originalität nicht zu übertreffen sein. Philipp Scharrenberg bekam eine goldene Spätzlepresse.