Politik: Matthias Schiermeyer (ms)
Kurz nach dem Unglück wurde die Zwei-Personen-Regelung im Cockpit eingeführt. Bringt sie die nötige Sicherheit?
Die Einführung war auch okay so – man brauchte kurzfristig eine vertrauensbildende Maßnahme. Nach einem Jahr muss man aber fragen, welche Folgen es haben kann, wenn die Cockpittür länger offen ist und dies für jeden Passagier vorhersehbar ist. Darauf kann sich ein Terrorist vorbereiten. In der Gesamtbewertung muss man klar sagen: Es hat den Flugverkehr nicht sicherer gemacht. Deshalb sollte man darüber nachdenken, das wieder abzuschaffen.
Auch die Crewmitglieder fühlen sich unwohl damit, weil sie nicht in der Lage wären einzugreifen?
Wenn jemand vorne sitzt, der vom Steuern des Flugzeugs nur begrenzt Ahnung hat, stellt sich die Frage des Trainings. Daran fehlt es ganz klar. So ist das für uns nicht der Weisheit letzter Schluss.
Strittig im Gesetzentwurf sind auch überraschende Tests auf Drogen, Medikamente und Alkohol?
Selbst wenn man vor dem fraglichen Flug so eine Kontrolle durchgeführt hätte, wäre es mit den Standardtests – ohne ausgiebigen Bluttest – nicht nachzuweisen gewesen. Zudem ist das Gesetz zu einem Zeitpunkt durch den Verkehrsausschuss des Bundestags gegangen, als klar war, dass zwei Wochen später der finale Untersuchungsbericht kommen sollte. Da musste man noch schnell Tatkraft dokumentieren und hat als Vorwand dieses Testverfahren eingeführt. Richtig wäre gewesen, die zwei Wochen zu warten und die aus dem Bericht resultierenden Maßnahmen sinnvoll umzusetzen. Dort steht eben nicht drin, dass diese Tests zielführend sind.
Die Lufthansa will zudem einen medizinischen Datenaustausch und eine Lockerung der ärztlichen Schweigepflicht – der BEA-Bericht allerdings nicht?
Wir folgen auf jedem Fall dem Bericht. Man muss nur aufpassen, dass er handwerklich richtig umgesetzt wird. Wir haben in Deutschland zurecht Datenschutz und ärztliche Schweigepflicht, damit ich mich als Patient öffnen kann. Wenn der Arzt das Gros der Krankheiten weitermelden dürfte, würde der Patient diese wahrscheinlich für sich behalten. Deswegen muss man beide Elemente auf der einen Seite sowie die Sicherheit auf der anderen in ein vernünftiges Gleichgewicht bringen.
Geht es auch darum, die Piloten aufzufangen, damit sie nicht aus Angst vor dem wirtschaftlichen Absturz eine psychische Krankheit verschweigen?
Daher empfiehlt die französische Behörde auch, dass man einen Lizenzverlust abfedern muss. Wenn ich Angst habe, dass meine Lizenz verloren geht, bin ich wahrscheinlich sehr sparsam mit den Informationen für den Arzt. Das wollen wir verhindern.
Sehen Sie die Chance, den Gesetzentwurf noch in Ihrem Sinne zu beeinflussen?
Ich befürchte, dass sich am Gesetzentwurf nicht mehr viel ändern wird – so sehr ich mir das wünschen würde, weil da wirklich kontraproduktive Maßnahmen enthalten sind. Andererseits steht drin, dass gerade die umstrittenen Alkohol- und Drogenkontrollen in Absprache von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite in einer Tarif- oder Betriebsvereinbarung festgelegt werden sollen. Es wird jetzt die Aufgabe sein, das in halbwegs vernünftige Form zu bringen.