Gute Nachrichten für Bahnreisende: Nach dem Entgegenkommen der Bahn Mitte Dezember verzichtet die Lokführergewerkschaft GDL vorerst auf Streiks und hofft auf eine Einigung bis März.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Köln - Claus Weselsky, Chef der Lokführergewerkschaft, ist bestens erholt und gut gelaunt – nach seinem Tauchurlaub auf den Seychellen, den er kurz entschlossen über den Jahreswechsel angetreten hatte. Dies hängt eng mit dem Tarifkonflikt bei der Bahn zusammen, in den unvermittelt Ruhe und Verständigungsbereitschaft eingekehrt sind. Am 17. Dezember habe er vom Bahn-Personalvorstand Ulrich Weber die schriftliche Zusage erhalten, dass die GDL eigenständige Tarifverträge für die fünf Berufsgruppen Lokomotiv- und Lokrangierführer, Zugbegleiter, Bordgastronomen, Trainer und Disponenten abschließen darf. „Es gibt keine Abhängigkeit zu anderen Tarifverträgen mehr.“ Damit hat Weselsky sein primäres Ziel erreicht. Dies sei für ihn eine große Überraschung gewesen. Dass der Arbeitgeber weiter konkurrierende Abschlüsse mit der GDL sowie dem Mitbewerber EVG (Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft) vermeiden wolle, sei legitim.

 

„Jetzt gehen wir in inhaltliche Verhandlungen“, kündigte Weselsky an. Für den 19. und 28. Januar sind die nächsten Treffen angesetzt. Wegen des Entgegenkommens der Bahn hat die GDL ihre Forderungen zurückgeschraubt. Sie verlangt nur noch eine Verkürzung von einer statt zwei Stunden Arbeitszeit auf 38 Wochenstunden. Dennoch sieht Weselsky darin den Knackpunkt. Die Bahn werde nicht „die Stirn haben“, im Endeffekt allen 165 000 Beschäftigten eine Wochenstunde weniger anzubieten, um abweichende Tarifabschlüsse zu vermeiden. Darüber hinaus hatte die GDL ihre Forderung nach besseren Eingruppierungen reduziert. Nunmehr sollen vor allem Lokführer nach 30 Jahren Berufserfahrung um eine Entgeltstufe angehoben werden.

Beim Zugpersonal sind sich Bahn und GDL schon einig

Erstmals einigten sich GDL und Bahn auf einen Tarifvertrag auch für das Zugpersonal, denn alle Beschäftigten sollen für das zweite Halbjahr 2014 eine Einmalzahlung von 510 Euro erhalten. Dazu stellt Weselsky fest, dass der Arbeitgeber die Gewerkschaftszugehörigkeit nicht einzeln abfragen werde. Eine Erklärung des Arbeitnehmers, unter welchen Tarifvertrag er fallen wolle, müsse reichen. Die 510 Euro offeriert der Arbeitgeber auch der EVG, mit der die Bahn bereits an diesem Mittwoch in Frankfurt wieder verhandelt.

Weselsky glaubt nicht an einen Friedensschluss bis Ende Januar. Spätestens im März solle das Tarifpaket jedoch fertig sein. Er wolle nicht mit einem offenen Tarifvertrag dastehen, wenn das Gesetz zur Tarifeinheit im Betrieb in Kraft tritt. Die von der Bundesregierung im Dezember beschlossene Regelung besagt, dass im Kollisionsfall der Tarifvertrag Vorrang hat, für den die Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern im Betrieb verantwortlich ist. Bei der Deutschen Bahn wäre das eine eindeutige Sache: Die EVG ist klar die Mehrheitsgewerkschaft. Dies bestreitet Weselsky trotz des hohen Organisationsgrades von mehr als 80 Prozent bei den Lokführern nicht: „Die GDL wäre nicht mehr für die Lokführer zuständig, wenn das Gesetz heute schon zur Anwendung käme“, sagt er.

Die Streiks haben der GDL auch Austritte beschert

Infolge der Betriebsratswahlen hat die GDL in 40 Betrieben der DB AG die Oberhoheit – die EVG in 260. Doch werden laut dem Tarifeinheitsgesetz nicht Wahlergebnisse, sondern Mitgliederbestände gezählt. Weselsky zufolge hat es wegen der Streiks, die die Lokführer stellvertretend für das übrige Zugpersonal bestritten haben, einige Austritte gegeben. Allerdings hatte die GDL zuvor große Zuwächse verzeichnet. Den exakten Mitgliederumfang will der Vorsitzende nicht offenbaren, er sagt dazu nur: „Die reelle Zahl nähert sich der politischen Zahl an.“ Demnach hätte die GDL jahrelang einen zu hohen „politischen“ Wert von 34 000 Mitgliedern genannt.

Wie die Wende in den Verhandlungen mit der Bahn zustande kam, lässt Weselsky offen. Er sprach von einem „starken Signal“ des Dachverbandes, für das er dankbar sei. Dem Vernehmen nach gab es Gespräche zwischen den Chefs des Schienenkonzerns und des Beamtenbundes, die ein Aussetzen der Streiks und geordnete Verhandlungen bewirkten. Gegen das Gesetz zur Tarifeinheit will der Beamtenbund aber weiterhin massiven Widerstand leisten. Geplant ist unter anderem ein „Bündnis für die Koalitionsfreiheit“ mit der Pilotenvereinigung Cockpit, dem Marburger Bund und dem Deutschen Journalistenverband.