Das Waiblinger Gemeindehaus Jakob-Andreä-Haus, ein typisches Gebäude aus den 1960er-Jahren, ist nicht jedermanns Sache. Manch einer könnte sich mit einem Abriss durchaus anfreunden. Architekturstudenten haben den Betonbau nun auf Wunsch der Kirchengemeinde näher begutachtet – und für seinen Erhalt plädiert.

Waiblingen - Umbauen oder abreißen? Die Zukunft des Gemeindehauses Jakob-Andreä-Haus beschäftigt derzeit die evangelische Kirchengemeinde Waiblingen. Letztere will auf dem Gelände unweit des Alten Postplatzes ein gemeinsames Zentrum der Kirchengemeinde einrichten. Dazu soll entweder das bestehende Gebäudeensemble aus dem Jahr 1966 umgebaut oder ein neues Zentrum erstellt werden. Nicht wenige Gemeindemitglieder könnten sich durchaus für einen Abriss des 50 Jahre alten Komplexes erwärmen.

 

„Der architektonische Charme des Geländes hält sich in Grenzen“, ist auf der Internetseite der Kirchengemeinde über das Gebäude in Sichtbetonbauweise zu lesen. Und der Dekan Timmo Hertneck sprach am Dienstagabend beim dritten Gemeindeforum in Sachen Zukunft der Gemeindehäuser gar von einer „Hassliebe“ und „sehr ambivalenten Empfindungen“. Auf viele Besucher wirke das repräsentative, funktionale Gebäude wenig heimelig.

Das Haupthaus soll stehen bleiben

Für die Studierenden der Architekturklasse von Professor Sandro von Einsiedel an der Uni Stuttgart hingegen war die Begegnung mit dem Jakob-Andreä-Haus quasi eine Liebe auf den ersten Blick: von einem „wunderschönen Haus“ oder einem „tollen Saal“ war in den Präsentationen die Rede. Die Kirchengemeinde hatte die angehenden Architekten beauftragt, im Rahmen einer Semesterarbeit Ideen für einen Umbau oder einen Neubau des Gebäudeensembles zu entwickeln. Es besteht aus drei Baukörpern – einem Haupthaus mit großem Saal und Bühne, einem Verwaltungs-, sowie einem Wohngebäude.

Sämtliche der zehn Studierenden in seiner Klasse hätten sich für einen Umbau des Hauptgebäudes und gegen dessen Abriss entschieden, schickte Sandro von Einsiedel den Ausführungen seiner Studenten voraus. Die Außenansicht habe zwar aufgrund verschiedener baulicher Veränderungen im Laufe der Jahre gelitten, im Inneren aber gebe es „viele qualitätvolle Bereiche“. Der Professor hob den Schieferboden und das seiner Ansicht nach gelungene Treppenhaus hervor. Es lasse sich sicher ein Weg finden, das Haus so umzugestalten, „dass Sie sich damit identifizieren können“, sagte von Einsiedel.

Auch eine energetische Sanierung der Außenfassade sei machbar – das Haus benötige einfach „einen neuen Pullover“. Ein Neubau verursache zwar weniger Heizkosten, aber der Abriss und die Entsorgung des Altbaus sowie eine drei Jahre währende Baustelle bedeuteten ebenfalls einen hohen Aufwand, der eingerechnet werden müsse, gab der Fachmann zu bedenken.

Trauer-Café, Arkadengang und ein neuer Belag

Am Haupthaus sollte nur wenig verändert werden, lautete die Empfehlung aller Studenten. Ein Vorschlag war, im Foyer ein (Trauer-) Café unterzubringen, das als Anlaufstelle dient und den ziemlich unwirtlichen Hof belebt. Letzterer könnte durch einen Arkadengang, durch Grünbereiche oder einen neuen Belag aufgewertet werden. Während manche Entwürfe den Erhalt aller drei Häuser vorsehen, favorisieren viele den Abriss des Wohnhauses oder auch beider Nebengebäude und plädieren an ihrer statt für einen Neubau. Letzterer soll so platziert werden, dass ein klar definierter Platz in der Mitte des Geländes entsteht. Die Jugendräume, darin waren sich die Studenten einig, müssen aus dem Untergeschoss nach oben verlegt werden.

Im Anschluss an die Präsentationen konnten die Besucher ihren Lieblingsentwurf wählen. Der Kirchengemeinderat, hieß es, sichte diese Stimmzettel und diskutiere die Vorschläge. Und wer weiß – vielleicht wird am Ende aus der Hassliebe für das Jakob-Andreä-Haus doch noch eine Liebe auf den zweiten Blick.