Bei der Jam Bar im Club Zentral werden musikalische Geschichten erzählt. Hier treffen sich Musiker, Profis und Laien, um auf der Bühne gemeinsam zu jammen, das heißt spontan und völlig frei ohne Noten gemeinsam Musik zu machen.

S-Mitte - Die Jam Bar hat an diesem Freitagabend zwei starke Konkurrenten: das schöne Wetter und die Fußball-Weltmeisterschaft. Deshalb sind zum Beginn um 18 Uhr noch nicht so viele Musiker da wie gewöhnlich.

 

Völlig frei und ohne Noten

Immerhin bleibt dadurch noch genügend Zeit für einen ausgiebigen Soundcheck. Florian Meerwein setzt sich ans Schlagzeug und spielt drauflos – kurzzeitig zur Belustigung aller zu Helene Fischers „Atemlos“. Der 21-jährige Student ist aber nicht nur Schlagzeuger, sondern auch einer der Organisatoren der Jam Bar, die im Moment noch in unregelmäßigen Abständen im Club Zentral in Stuttgart-Mitte stattfindet – aber auch an anderen Orten. Hier treffen sich Musiker, Profis und Laien, um auf der Bühne gemeinsam zu jammen, das heißt spontan und völlig frei ohne Noten gemeinsam Musik zu machen. Sein jeweiliges Instrument bringt dabei jeder selbst mit – Schlagzeug und Keyboard stehen aber schon auf der Bühne.

Organisiert wird das Ganze von der Musikinitiative Rock, kurz MIR, in Kooperation mit dem Popbüro Stuttgart. Die erste Jam Bar im Club Zental fand im Sommer vergangenen Jahres statt. Die Wurzel allerdings liegt woanders. „Am Anfang waren die Jams in einem Jugendhaus auf den Fildern“, erinnert sich Florian Meerwein. Dann ist die MIR, bei der er Mitglied ist, darauf aufmerksam geworden und hat die Jam Bar seither in Stuttgart, etwa im Jazzclub Kiste oder eben im Club Zentral, veranstaltet. Bald will man mit der Veranstaltung vielleicht sogar ins Café Weiß.

Die Jam Bar als eine Art Plattform

Dass die Nachfrage von Musikern groß ist, zeigen die Jams jedes Mal aufs Neue. „Der Jazzclub Kiste ist fast aus allen Nähten geplatzt“, erzählt Marit Julie Lindhorst, ebenfalls Organisatorin. Der Grund: In Stuttgart gebe es nur begrenzte Möglichkeiten für Musiker, sagt Florian Meerwein. Es fehle an Proberäumen und Auftrittsmöglichkeiten. „Dabei gibt es in Stuttgart so viele tolle Musiker, die Geschichten erzählen“, sagt er. Untergrund, das sei in Stuttgart vor allem elektronische Musik, Rock’n’Roll und Punk haben es in Stuttgart hingegen schwer. Deshalb soll die Jam Bar auch als eine Art Plattform verstanden werden: „Man muss hier nicht unbedingt auf die Bühne“, sagt Florian Meerwein. Die Jam Bar soll vielmehr Treffpunkt für Musiker sein, um eine Basis für eine Interessengemeinschaft zu bilden. Ähnlich wie das Club Kollektiv. Deshalb sei es wichtig, dass viele der Musiker regelmäßig kommen.

Kay Swoboda, Projektleiter beim Popbüro Stuttgart und für die Veranstaltungen im Club Zentral zuständig, sieht die Jam Bar ebenfalls als eine Art Musiker-Pool. „Hier gibt es spannende Musiker zu entdecken, es können Netzwerke entstehen und sich sogar Bands gründen“, sagt er und: „Es kommen ganz neue Konstellationen zustande.“

Gemeinsames Geschichtenerzählen

Auch an diesem Freitagabend füllt sich der Saal nach und nach. Daniel Grötzinger ist zum ersten Mal bei der Jam Bar im Club Zentral und angetan: „Das ist ja richtig luxuriös hier“, sagt er mit Blick auf die Bühne. Professionelle Beleuchtung, Equipment und eine große Bühne. Der Gitarrist war bisher nur in Frankfurt am Main, wo er studiert hat, auf derartigen Jam Sessions – so eine Ausstattung wie hier habe es dort aber nicht gegeben. So zögert er auch nicht lange, steigt auf die Bühne und jammt zusammen mit Schlagzeuger und Bassisten. Eigentlich sei er ein „Stubenrocker“ sagt er später. Solche Jam Sessions seien deshalb die optimale Möglichkeit mit anderen zu musizieren und sich auszuprobieren. „Das Besondere an solchen Veranstaltungen ist die Spontanität, du weißt nie was passiert“, sagt er. „Du triffst auf fremde Leute, jeder hat einen anderen Musikgeschmack und trotzdem findet man sich zusammen.“

Tatsächlich treffen bei den Jam Sessions Metal, Punk, Hip-Hop und andere Stilrichtungen aufeinander – und harmonieren. Dann entsteht eine besondere Energie auf der Bühne und vielleicht ist das der Grund weshalb Florian Meerwein gar nicht mehr vom gemeinsamen Musik machen, sondern vom gemeinsamen Geschichtenerzählen spricht.