Führende Unionspolitiker setzen auf schnelle Sondierungs- und Koalitionsgespräche. Bis Weihnachten soll die neue Regierung stehen. FDP und Grüne wollen sich aber nicht unter Druck setzen lassen.

Berlin - Mehr als drei Wochen nach der Bundestagswahl starten in der kommenden Woche die Sondierungsgespräche zur Bildung einer Jamaika-Koalition. Vor allem die Union wollte zunächst die Landtagswahl an diesem Sonntag in Niedersachsen abwarten. CDU und CSU sowie FDP und Grüne erwarten schwierige Verhandlungen im Bund. Am Mittwoch trifft sich die Union separat mit FDP und Grünen, am Freitag kommen alle vier Parteien erstmals zusammen. Ob die neue Bundesregierung bis Weihnachten steht, ist nicht sicher.

 

Schäuble und Oettinger optimistisch

Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sagte in Washington am Rande der Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds (IWF), dass sich die künftigen Koalitionspartner bis zu den Weihnachtsferien einigten. Auch EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU) sagte dem Nachrichtenmagazin „Focus“, er sei optimistisch, dass bis Weihnachten ein Jamaika-Bündnis gebildet sei. Bei allen vier Partnern - CDU,CSU, FDP und Grünen - sei der gute Wille erkennbar vorhanden.

FDP und Grüne wollen sich allerdings will sich nicht unter Zeitdruck setzen lassen. Die stellvertretende FDP-Vorsitzende Katja Suding sagte der Deutschen Presse-Agentur in Hamburg: „Für mich ist Weihnachten kein Datum, das man unbedingt erreichen muss, wenn man dafür in Kauf nimmt, dass wichtige Dinge nicht klar geregelt sind.“ Die Dauer der Verhandlungen sei am Ende nicht entscheidend. „Da geht Gründlichkeit vor Schnelligkeit.“

Erhebliche Konflikte zwischen FDP und Grünen

Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt forderte gründliche Verhandlungen. Ob es bis Weihnachten ein Ergebnis gebe, könne heute niemand sagen. „Andere haben sehr lange gebraucht, um sich zu sortieren“, sagte sie mit Blick auf die Union. Sie bekräftigte den für die Grünen zentralen Stellenwert des Familiennachzugs für Flüchtlinge in den Verhandlungen.

Damit zeichnen sich vor allem in der Flüchtlingspolitik erhebliche Konflikte ab. So forderte FDP-Chef Christian Lindner in Zeitungen der Funke Mediengruppe, Marokko, Tunesien und Algerien als sichere Herkunftsländer einzustufen. Ähnlich äußerte sich Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) und kritisierte die „Blockadehaltung“ der Grünen bei diesem Punkt.

Jamaika als „Chance zum Aufbruch“

Innenminister Thomas de Maizière (CDU) sagte der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Samstag), es müsse das Vertrauen geschaffen werden, „dass eine Regierung entsteht, die auch in nicht voraussehbaren Krisen vernünftig handelt.“ Bei den vorherigen drei Regierungen habe man die Verhandlungen in der Annahme geführt, dass sich die Wirklichkeit nach den Koalitionsvereinbarungen richte. „Dreimal hat das nicht funktioniert: zuerst wegen der Finanzkrise, dann wegen der Krise im Euro-Raum, und schließlich wegen der Flüchtlingswelle und des Terrors.“

CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn meinte, eine Jamaika-Koalition biete eine „Chance zum Aufbruch“ und „zur Befriedung gesellschaftlicher Konflikte“. In der „FAZ“ schrieb er, die Themen Migration und Integration seien zwar „die größten Stolpersteine“, doch könne es mit „gesundem Menschenverstand“ gelingen, gesteuerte Einwanderung, humanitärer Hilfe und konsequente Durchsetzung von Abschiebungen zusammenzubringen.

Bürger sehen mögliche Koalition positiv

Die Bundesbürger stehen einem Jamaika-Bündnis positiv gegenüber. 55 bis 57 Prozent finden ein solches Jamaika-Bündnis aktuell sehr gut oder gut, ergaben der ARD-„Deutschlandtrend“ und das ZDF- „Politbarometer“. Drei Viertel der Befragten gehen auch davon aus, dass diese Koalition zustande kommt.