Die Vorbereitungen für Verhandlungen über eine Jamaika-Koalition verlaufen eine Woche nach der Bundestagswahl weiter schleppend. CSU und CDU wollen vor Sondierungsgesprächen mit FDP und Grünen zuerst eine einheitliche Linie finden.

Berlin - Eine Woche nach der Bundestagswahl verlaufen die Vorbereitungen für Verhandlungen über eine Jamaika-Koalition aus Union, FDP und Grünen weiter schleppend. CSU-Chef Horst Seehofer machte einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ zufolge deutlich, dass Sondierungsgespräche mit anderen Parteien erst bei einer einheitlichen Linie mit der CDU Sinn ergäben. Auf Kritik stießen Pläne von FDP und Grünen, zunächst jeweils getrennt mit der Union über eine Regierungsbildung zu beraten.

 

Laut „SZ“ sagte Seehofer in kleiner Runde, dass CDU und CSU „vor ihren schwierigsten Gesprächen seit Kreuth 1976“ stünden. Damit spielte der bayerische Ministerpräsident auf den Kreuther Trennungsbeschluss an, als die CSU-Landesgruppe die Fraktionsgemeinschaft mit der CDU für beendet erklärte. Später wurde der Beschluss nach Drohungen der CDU, in diesem Fall auch in Bayern anzutreten, zurückgenommen. Die Schwesterparteien sind sich vor allem in Flüchtlingspolitik uneins. Seehofers Forderung nach einer Obergrenze von 200.000 Migranten im Jahr lehnt Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ab. Ohne eine Verständigung mit der CDU werde die CSU keine Sondierungen über eine Jamaika-Koalition führen, sagte Seehofer dem „SZ“-Bericht zufolge. Die Union müsse darüber hinaus konkrete Antworten auch bei sozialen Themen liefern, etwa bei Rente und Pflege.

CDU und CSU wollen vor Gesprächen mit Koalitionspartnern intern die Linie klären

Nach dem schlechten Abschneiden der Union bei der Bundestagswahl hatten CDU und CSU vereinbart, vor Gesprächen mit möglichen Koalitionspartnern zunächst intern die Linie zu klären. Die Spitzen der Schwesterparteien wollen sich am 8. Oktober in Berlin treffen. Für die nächsten Tage sagte Seehofer laut „SZ“ alle öffentlichen Termine ab und arbeitet an einer Strategie für die Gespräche mit Merkel. Ein Jamaika-Bündnis gilt als einzig denkbare Regierungsoption, weil die SPD einer erneuten großen Koalition eine klare Absage erteilt hatte. Neben den Differenzen innerhalb der Union zeichnen sich auch langwierige Gespräche mit den beiden kleinen Parteien ab: Am Wochenende hatten sich FDP-Chef Christian Lindner und die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt dafür ausgesprochen, dass ihre Parteien zunächst jeweils bilateral mit der Union verhandeln.

Ohnehin werden ernsthafte Sondierungen erst nach der Landtagswahl in Niedersachsen am 15. Oktober erwartet. Kritik am schleppenden Verhandlungsprozess kam von der SPD. „Wenn der bisherige Ablauf und die Organisation der Sondierungsgespräche ein Vorgeschmack auf das Regierungsgeschäft sind, dann kommen turbulente Zeiten auf Deutschland zu“, sagte SPD-Parlamentsgeschäftsführer Carsten Schneider sagte der „Welt“. „Man kann nicht alle Probleme und Entscheidungen in jedweder theoretisch denkbaren Gesprächskonstellation der neuen Koalitionsformation vordiskutieren.“

Grüne seien „spitz wie die Komantschen-Pfeile aufs Regieren“

Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch warf FDP und Grünen vor, sie verhandelten zwar noch nicht miteinander, „zocken aber schon kräftig“. Die Grünen seien „spitz wie die Komantschen-Pfeile aufs Regieren, können überhaupt nicht abwarten“. Bartsch bezeichnete CDU, CSU, FDP und Grüne als „Quartett infernale“ und forderte die potenziellen Regierungsparteien auf, sie sollten „die Herausforderungen des Landes angehen und nicht zuerst das eigene Ministeramt im Blick haben“.

Der scheidende Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zeigte sich derweil „ganz überzeugt“, dass Union, FDP und Grüne eine Regierung bilden würden. „Das wird ein bisschen Zeit brauchen, aber es wird eine sehr gute und auch pro-europäische Regierung sein, da habe ich keinen Zweifel“, sagte er bei einem Besuch in Paris. Bei den Koalitionsgesprächen wird Schäuble, der neuer Bundestagspräsident werden soll, aber wohl keine Rolle mehr spielen.