John und Edward Little sind die Söhne eines Farmers in Georgia. Sie wachsen auf in einer Atmosphäre der Gewalt und sind bald selbst Teil dieser Gewalt. Mit großer Härte – und ebenso großer erzählerischer Meisterschaft - schildert James Carlos Blake ein schwarzes Stück amerikanischer Geschichte.

Lokales: Hans Jörg Wangner (hwe)

Stuttgart - Dieses Buch erschlägt seinen Leser. Es ersäuft ihn in einem Meer aus Blut, Schweiß, Tränen und Sperma. Kaum eine Passage, in der nicht geschlagen, geschossen, vergewaltigt, verstümmelt, gefoltert und gestorben würde. Mit anderen Worten: James Carlos Blakes Westernepos „Das Böse im Blut“ ist starker Tobak.

 

Der 1947 in Mexiko geborene amerikanische Autor erzählt die Geschichte der Farmersfamilie Little, genauer gesagt, die der beiden Söhne John und Edward. Die Hinterwäldlerbuben wachsen auf in einem Klima der Rohheit und der Gewalt. Der Vater erschlägt aus nichtigem Anlass einen Mann, und auch die Söhne wissen früh mit Fäusten, Messern und Schusswaffen umzugehen. Ihr erstes Todesopfer ist der eigene Vater, den sie in Notwehr erschießen. Es folgt eine absurd gewaltgeladene Odyssee durch die amerikanischen Südstaaten und durch Mexiko, die John und Edward schon bald voneinander trennt.

Gequält von Alpträumen

Zweimal noch taucht ihre kleine Schwester Maggie auf, das erste mal unter schlimmen, das zweite Mal unter noch schlimmeren Umständen. Ansonsten müssen sich die Brüder alleine durchschlagen. Tagsüber konfrontiert mit unfassbaren Brutalitäten, nachts gequält von Alpträumen über ihren Vater.

Auch das Wiedersehen kann unter diesen Umständen kein Happy-End sein – selbst wenn der Traum vom gemeinsamen Leben in Frieden, irgendwo auf einer hübschen Farm, greifbar nahe zu sein scheint. Doch zu viel ist passiert, zu viel Blut ist im amerikanisch-mexikanischen Krieg (den die beiden auf gegnerischen Seiten ausfechten) geflossen, als dass am Ende alles gut werden könnte.

Gewalt nicht als Selbstzweck

Blakes Western ist von einer Schonungslosigkeit, wie sie auch in den härtesten Kinofilmen nicht vorkommt. Selbst Spät-, Post- und Italowestern reichen – aus naheliegenden Gründen – nicht an das heran, was der Autor seinen Lesern zumutet. Allerdings ist Gewalt bei ihm kein Selbstzweck. Wie auch der Regisseur Sam Peckinpah setzt er sie ein, um zu verdeutlichen, wozu Menschen fähig sind. Blake urteilt nicht, er beschreibt. Und er lässt seinem Leser keinen Grund zur Annahme, dass die Sitten im historischen Amerika auch nur ein bisschen weniger rau waren.

Dass man gegen Ende des Buches des ewigen Schlachtens müde ist, mag der Autor in Kauf genommen haben. Aber da geht es dem Leser immerhin noch ungleich besser als den Helden.

„Das Böse im Blut“ ist ein Roman mit einer enormen Sogkraft. Und er erinnert angesichts der Naivität, mit der die Brüder in die Welt hinausziehen, an einen Klassiker aus dem alten Europa. Ähnlich wie ihnen ist es zur Barockzeit einem anderen Bauernbuben gegangen, dem Simplicius Simplicissimus. Fast könnte man sagen: Grimmelshausen goes West.

James Carlos Blake: „Das Böse im Blut“. Roman, aus dem Englischen von Matthias Müller. Liebeskind, München 2013. 448 Seiten, 22,00 Euro. Auch als E-Book, 15,99 Euro.