James Rizzi Rizzis New Yorker Atelier in Tübingen
Seine bunten Wimmelbilder sind beliebt, weil sie gute Laune machen. Jetzt kann man in Tübingen sogar sehen, wie der New Yorker Star lebte.
Seine bunten Wimmelbilder sind beliebt, weil sie gute Laune machen. Jetzt kann man in Tübingen sogar sehen, wie der New Yorker Star lebte.
Es gibt Bilder, an denen man sich vielleicht nie satt sehen wird. Die einen, weil sie unergründlich sind, die anderen, weil einfach so viel abgebildet ist, dass man noch Jahre später neue Details entdeckt. So müsste man eigentlich sehr viel Zeit mitbringen in die Ausstellung von James Rizzi, in dessen kunterbunten Wimmelbildern unglaublich viele Motive stecken. Allein in seiner berühmten Hommage an New York wird jeder etwas entdecken, was er für typisch hält an der Metropole: das Chrysler-Building und die Freiheitsstatue, Chinatown und MoMA, Wall Street und Brooklyn Bridge. New York, wie es leibt und lebt.
Wie viele Stunden mag James Rizzi wohl an seinen kleinteiligen Zeichnungen gesessen haben? Und wie hat er es geschafft, im Lauf der Jahre so viele Bilder zu verfertigen, bei denen er die winzigen Motive, die kleinen Figürchen und Vögel, Häuser und Autos oft auch noch ausschnitt und mit Abstand auf die gedruckte Zeichnung klebte, sodass sie räumlich wirken? Im NKT, dem Neuen Kunstmuseum Tübingen, erfährt man zwar nicht, wie, aber wo er arbeitete. Denn hier wurde Rizzis New Yorker Atelier rekonstruiert und steht nun nicht nur sein Cola-Automat und sein riesiges Sofa, sondern auch ein sehr großer Holztisch. Auf einem Chefsessel sitzend hat Rizzi hier viele Stunden zeichnend verbracht.
Dreißig Jahre lang lebte der erfolgreiche Künstler in seinem Loft in Manhattan, in dem er 2011 auch starb. 2003 hatte er noch in Stuttgart den IT-ler Bernhard Feil kennengelernt, der sich zu einem passionierten Rizzi-Sammler entwickelte – und schließlich eine neue Karriere begann. Feil und sein Partner Stephen Hamann verkauften ihr Unternehmen, machten sich mit dem Kunsthandel Art28 selbstständig, der sich auf die Vermarktung von Kunstartikeln spezialisiert hat. Den Grundstock bildet Rizzis kompletter Nachlass, den die Tübinger samt der Rechte an seiner Marke kauften.
Und so wird die vierte Ausstellung in ihrem neuen Museum in Tübingen James Rizzi gewidmet, in der man einen Streifzug durch dessen Werk vornehmen kann. Schon als Kunststudent in Florida griff Rizzi gern zur Farbe, war aber noch nicht so kleinteilig unterwegs. Auf den frühen Bildern malte er seine bunte Straßenszenen mit freiem Pinsel. Für seine Abschlussarbeit zog er die Leinwand kurzerhand auf Parkettbrettern auf, die er aus seiner Studentenbude ausgebaut hatte. Damit wollte er einen Bezug zu seiner Lebenswelt herstellen.
Rizzi stellte nicht nur am liebsten „seine“ Stadt New York dar, sondern kreiste vermutlich auch sonst gern um sich selbst. Zumindest hingen in seinem Loft nur seine eigenen Bilder, wie man in Tübingen sehen kann. Bücher hatte er wohl wenige, aber immerhin scheinen in seinem Regal diverse Kataloge zu Picasso gestanden zu haben, sowie vereinzelte Bände zu Leonardo da Vinci oder Jean Dubuffet.
Nach dem Studium kehrte Rizzi nach New York zurück und mietete in SoHo einen Laden an. Ins Fenster stellte er eine Druckerpresse, um die Leute neugierig zu machen – auch sie steht nun in Tübingen. In den ersten Jahren verkaufte James Rizzi seine Drucke und Zeichnungen sogar direkt auf der Straße, aber auch später, als die Zahl seiner Fans wuchs, wollte er, dass sich alle seine Kunst leisten können. Deshalb legte er eine Serie mit „Minis“ auf, kleinen Bildchen, die so groß wie Kühlschrankmagneten sind, dabei aber sehr filigran sind, weil auch hier die Figuren ausgeschnitten und vor die Fläche gesetzt wurden. Rizzi hat darauf viele alltägliche Momente festgehalten – Szenen beim Zahnarzt und im Stau, Paare, die Zeitung lesend am Frühstückstisch sitzen, mit dem Titel „Good Morning, honey“. Der Titel gehörte für Rizzi dazu und war mitunter beredt. So nannte er die Zeichnung einer Tasse Kaffee und einer im Aschenbecher qualmenden Zigarette „My bad breakfast“. Offenbar qualmte er schon zur ersten Tasse Kaffee.
Auch im NKT, zu dem ein großer Shop gehört, kann man sich für kleines Geld ein Stück Rizzi kaufen: Es gibt Weingläser und Teedosen mit seinen bunten Motiven, Umhängetaschen und Windlichter, Tassen und Brillenetuis. Aber auch Werke können erworben werden, kleine Formate für 775 Euro oder eine 3D-Konstruktion zu 13 455 Euro.
So gelang es Rizzi, Kunst für alle zu schaffen, was ein zentrales Ziel der Pop-Art-Künstler war. Ironie des Schicksals: In die Kunstgeschichte hat er es trotzdem nicht geschafft, seriöse, wissenschaftlich arbeitende Museen stellen ihn nicht aus, denn mit seinen bunten und kindlichen Stadtlandschaften hat Rizzi weder stilistisch noch formal Neues erfunden. Auch inhaltlich werfen seine Arbeiten keine Fragen auf, sie wollen es auch gar nicht. Der Rizzi-Kosmos ist durch und durch positiv, hier gibt es nur Sonne, Liebe und Glück. Es sind Gute-Laune-Bilder mit lachenden Häusern, fröhlichen Vögeln und küssenden Paaren.
Und die wollen in den kommenden Wochen sicher viele Fans im NKT sehen, trotz des stattlichen Eintrittspreises von 16,50 Euro. Aber, wie gesagt, zu sehen gibt es mehr als genug auf diesem großen Querschnitt durch das erfolgreiche Leben und Werk von James Rizzi. Auf das konnte der Künstler stolz sein – und war es auch, weshalb er einmal sagte: „Wenn ich irgendwas in meinem Leben ändern könnte, würde ich es absolut nicht tun.“
James Rizzi: Home Away From Home. Ausstellung bis zum 1. Februar. Geöffnet täglich von 10 bis 18 Uhr. Neues Kunstmuseum Tübingen, Schaffhausenstraße 123, Tübingen