Der ZDF-Satiriker Jan Böhmermann unterhält in Ludwigsburg die Fans mit Perlen seiner parodistischen Künste.

Kultur: Tim Schleider (schl)

Ludwigsburg - Bei diesem Popkonzert geht es so pünktlich zu wie sonst nur im ZDF-Programm: Schlag 20 Uhr greifen die Damen und Herren des Rundfunk Tanzorchesters Ehrenfeld erstmals zu ihren Instrumenten, wenige Augenblicke später schlendert schon der Hauptdarsteller ans Mikrofon. Und auch, wenn dieser sich mit Sonnenbrille, Schnauzbart und langem Pelzmantel ordentlich verkleidet hat, erkennt das jubelnde Publikum natürlich sofort, wer da in Ludwigsburg die MHP-Arena beehrt: Jan Böhmermann.

 

„Wenn ich ein echter Sänger wär“ heißt sein erster Song. Wer das im ersten Augenblick als Warnung vor mangelnden stimmlichen Fähigkeiten wertet, kann rasch beruhigt sein: Böhmermann hat eine erstaunlich kräftige und auch strapazierfähige Singstimme, die es gut über die gut zwei Stunden Konzertdauer schafft. Nein, der Auftakttitel ist inhaltlich zu verstehen: Der Satiriker will nicht wirklich wie ein echter Sänger in einem echten Popkonzert sein; die Zuschauer mögen bitte von Anfang an den Ironiefaktor des Gesamtprojektes spüren und in Rechnung stellen. „Das wird hier ein politischer Liederabend“, ergänzt er darum noch kurz nach der Begrüßung. Um gleich darauf in den Saal zu rufen: „Gebt mir ein N! Gebt mit ein A! Gebt mir ein Z! . . .“ Und die Fans geben ihm das alles und ergänzen zum Schluss auch begeistert den ganzen Ausrufesatz: „Nazis raus!“

Vorkenntnis ist mitzubringen

Wer Böhmermanns geniale Satiresendung „Neo Magazin Royale“, die allein die Existenz des Zweiten Deutschen Fernsehens schon rechtfertigt, regelmäßig verfolgt, der weiß, dass ihr Chef seine ausführlich recherchierten und vielfältig aufbereiteten Themen aus Gesellschaft und Politik gern völlig unerwartet in tollkühne Shownummern münden lässt. So gab es etwa nach dem Zusammenprall eines ZDF-Fernsehteams mit dem von Facebook bekannten „Wutbürger 1945“ am Rande einer Pegida-Demo in Dresden den Song „In Sachsen gibt es keine Nazis“. Und ein langer Themenblock über die ausbeuterischen Zustände bei den deutschen Paketdiensten DHL und Co. endete in der Agitpropaufstellung „Wir sind die Versandsoldaten“.

All diese fast durchweg forsch-frechen Titel präsentiert Böhmermann mit seinem Orchester nun auf der Bühne en bloc – und riskiert damit zweierlei: Erstens sind sie aus ihrem Zusammenhang, aus ihrer Dramaturgie gerissen. Und zweitens bleiben sie für alle, die die Nummern nicht schon kennen, unverständlich. Denn in der miserablen Hallenakustik gehen der immense Sprach- und Wortwitz leider völlig unter.

Die TV-Show ist unersetzlich

Was bleibt, ist der sehr energische Big-Band-Elektro-Pop des Tanzorchesters. Und die meisten der rund 3500 Zuschauer werden als eingefleischte Böhmermann-Fans die Nummern ihres Helden ohnehin längst verinnerlicht haben. Bei seiner Gangsta-Rap-Veräppelung „Ich hab Polizei“ können sie jedenfalls mühelos mitgrölen. Und bei „Menschen, Leben, Tanzen, Welt“, der herrlichen Deutsch-Gefühlspop-Parodie, glimmen die Feuerzeuge.

So geht das Tourexperiment für die Künstler und die Fans wohl auf. Insofern ist der Abend okay. Aber als Fazit bleibt dennoch: Nur in der Glotze gibt es ihn wirklich, den echten Böhmermann.