Mit Grund zum Tanzen: Jan Delay erfreut bei den Jazz Open auf dem Stuttgarter Schlossplatz das Publikum.

Kultur: Jan Ulrich Welke (juw)

Stuttgart - Jan Delay ist ein lustiger Vogel, ein sehr lustiger sogar. Er hat Stücke im Repertoire, die – wie etwa sein Eröffnungsstück am Donnerstagabend auf dem prallvollen Konzertareal am Stuttgarter Schlossplatz – „Rave against the Machine“ oder – gespielt gegen Ende des Konzerts – „Hammerhart“ heißen. Er schätzt die großen Showgesten, auf der Bühne der Jazz Open trägt er Hütchen nebst Leopardenmusterkrawatte und tanzt dazu gerne und ulkig. Und er versteht es, gemeinsam mit dem Publikum gründlich Schabernack zu treiben: Zu seinem famosen Hit „Oh Jonny“ schwenken alle sehr putzig alles Greifbare über dem Kopf, in der Zugabe werden bei einem noch spaßigeren Spiel zur abbrechenden Musik auch die Bewegungen von Band und Publikum eingefroren.

 

Zugleich ist Jan Delay, man sollte es nicht vergessen, selbst wenn es bei all dem Jokus auf dem Schlossplatz etwas zu kurz kommen mag, ein reflektierender und politisch interessierter Künstler. In der vergangenen Woche gab er in Hamburg ein Spontankonzert aus Protest gegen den G-20-Gipfel, und in Stuttgart stimmt er zwischen vielen spaßigen Nummern als vorletztes Lied vor den Zugaben auch „Feuer“ an. Das Lied stammt von der sehr aufrechten und sehr waschechten Hamburger Punkband Slime, erschienen ist es auf deren Album „Schweineherbst“, 1994 war das. Flammen lodern auf dem LP-Cover, Flammen lodern zu „Feuer“ auch auf den Videowänden am Schlossplatz, „Brüllen, zertrümmern und weg“ heißt ein anderes Stück auf dem „Schweineherbst“-Album; all das könnte beim einen oder anderen auch auf dem Schlossplatz im Gedächtnis aufflammen, vielleicht oben auf der Tribüne in den Businesslogen, vielleicht unten im Volk auf den Stehplätzen, aber vielleicht ja auch gar nicht.

Der Soundtrack für den Vorsteher

Es zeigt jedenfalls, dass Jan Delay ein vielseitig interessierter Künstler ist. Und auch in seiner Musik liebt er die Vielschichtigkeit. Mit der Rap-Formation Beginner machte und macht er Hip-Hop, mit seiner Truppe Disko Nr. 1 Soulmusik im weiteren Sinne. Im weiteren Sinne, denn Delays Musik speist sich auch auf dem Schlossplatz eigentlich aus allen erdenklichen Stilen. Er hat Funk- und Discoeinflüsse dabei, er streut Schnipsel etwa aus „Word up“ ein, er bittet seinen Spezi Denyo von den Beginnern mehrfach mit auf die Bühne, für ihre gemeinsame Coverversion von Nenas „Irgendwie, irgendwo, irgendwann“ etwa, er hat den Rapper Samy Deluxe ebenfalls als Gast dabei, und in der Zugabe steuert seine Band durch ein Medley, das Lenny Kravitz, die Beastie Boys und Blur zitiert – ein bunter Stilistik-Strauß also, passend zum zweiten Namensbestandteil des Festivals Jazz Open: offen in alle Richtungen.

Die gemeinsamen Faxen mit dem Publikum sind denkbar fern von steifem akademischem Musizierduktus, der manchen Jazzkonzerten bisweilen anhaftet. Und die Scherzchen über den Begriff Jazz als solchen baut Jan Delay sogar zu einem Running Gag aus, der das ganze Konzert durchzieht.

Allseits herrscht gute Laune, was allein natürlich nicht für ein gutes Konzert reicht. Dafür sorgt auf dem Schlossplatz Delays exzellent aufgestellte Band mit Bläser- und Backingvocalsektion, die punktgenau und sehr druckvoll den Soundtrack für ihren Vorsteher liefert. Und der hat auf dem Schlossplatz die Dynamik des ganzen Abends, die Befindlichkeit des Publikums und womöglich sogar die der gesamten Republik mit einem einzigen Songvers auf den Nenner gebracht. „Denn im Großen und im Ganzen“, heißt es in seinem Lied „St Pauli“, mit dem nach der zweiten Zugabe ein runder Abend ausklingt, „ham wir allen Grund zum Tanzen“.