Jan Josef Liefers spricht über die Zukunft des Münster-„Tatorts“, seinen neuen Fall als Anwalt im ZDF und die Bedeutung von Religion in seinem Leben.

Stuttgart - Krimifans kennen ihn als bornierten Rechtsmediziner Karl-Friedrich Boerne im „Tatort“ aus Münster. Doch Jan Josef Liefers verkörpert im Fernsehen noch eine zweite, völlig anders gestrickte Ermittlerfigur: Im ZDF spielt er den lässigen Anwalt Joachim Vernau. In „Totengebet“ führt ihn der Mord an einem alten Studienkollegen in die USA.

 

Herr Liefers, Sie schlüpfen zum fünften Mal in die Rolle des Berliner Anwalts Joachim Vernau nach einem Roman von Elisabeth Herrmann. Was mögen Sie an der Figur?

Er unterscheidet sich von anderen Ermittlerfiguren in unserem Fernsehprogramm. Er ist Anwalt, für ihn gelten die oft strikten Regeln der Polizei nicht, er trägt schicken Zwirn statt Uniform und muss niemals Dinge fragen, wie: „Hatte Ihr Mann Feinde?“ Er ist leicht entflammbar, für die gerechte Sache und für das andere Geschlecht. Solche Typen gibt es sonst nicht so in der deutschen Krimilandschaft.

Der Film heißt „Totengebet“ und einige Szenen wurden in einer Synagoge gedreht. Welche Rolle spielt Religion in Ihrem Leben?

Ich gehöre keiner Konfession an, aber ich interessiere mich für Religionen. Ich mag ihren Beitrag zu unserer Kultur, sakrale Bauten, die Musik, die Lebensfragen, die sie aufwerfen. Und es war immer inspirierend, über Glauben nachzudenken. Ich bin auch von der Kraft des Gebets überzeugt. Allein schon, weil wir im Gebet ein Ziel formulieren und uns das hilft, die nötigen Dinge in Angriff zu nehmen, um sie zum Besseren zu verändern. Aber ich glaube nicht an den einen unfehlbaren, gütigen Gott, und Religionsfreiheit bedeutet eben auch die Freiheit, keine Religion haben zu müssen.

Wenn man als TV-Ermittler ständig mit dem Thema Tod und Sterben zu tun hat, beschäftigt man sich dann gedanklich viel damit?

Also, ich bin bestimmt kein Trauerkloß, der durch die Gegend läuft und denkt: Oh Gott, wir sind alle schon so gut wie tot. Aber wenn wir eines ganz sicher wissen, dann dass wir irgendwann sterben werden. Ich weiß nicht, warum es Teil unserer Kultur geworden ist, diese Themen so auszublenden, warum wir alle immer nur jung und dynamisch sein dürfen wie in der Werbung. Wir tun gerne so, als würde alles immer ewig so weitergehen. Aber wer weiß schon, wann es einen selber trifft. Würden wir irgendwas anders machen, wenn wir wüssten, dass unsere Lebenszeit übermorgen vorbei wäre? Diese Frage wirft ja auch der Kinofilm „So viel Zeit“ auf, in dem ich einen Todkranken spiele, der sich noch einmal einen Lebenstraum verwirklicht.

Millionen kennen Sie als Rechtsmediziner Professor Karl-Friedrich Boerne aus dem Münster-„Tatort“. Können Sie sich vorstellen, ihn ganz am Ende sterben zu lassen?

Es müsste auf jeden Fall ein standesgemäßer Tod sein, kein Herzinfarkt an der Straßenecke. Wenn es nach Boerne ginge, würde er wahrscheinlich auf einem Lippizaner-Hengst im gestreckten Galopp über den Regenbogen reiten und für immer in einer Supernova verglühen. Natürlich würde danach eine große Hauptstraße in Münster nach ihm benannt. Wäre das nicht toll?

Aber noch ist ja kein Ende in Sicht, für 2019 sind sogar drei neue Folgen angekündigt . . .

Ja, weil es 2018 nur eine neue gab. Zwei Folgen, die im Frühjahr und an Weihnachten 2019 laufen sollen, haben wir bereits gedreht, außerdem drehen wir demnächst noch eine, die dazwischen, im Herbst 2019, gezeigt wird – deshalb fallen drei auf ein Jahr. Danach soll es wieder normal laufen, zwei Folgen pro Jahr, so ist das geplant.

Und wie geht es mit Vernau weiter? Elisabeth Herrmann hat ja nur fünf Romane geschrieben, die schon alle verfilmt sind.

Sowohl die Produzenten als auch das ZDF und Elisabeth Herrmann sind sich einig, dass es weitergehen soll. Und notfalls auch unabhängig von bereits veröffentlichten Büchern neue Geschichten für Vernau gefunden werden.

Viele Szenen des neuen Falls sind in den USA gedreht worden – sind Sie dort auch von Fans erkannt worden?

Das ist tatsächlich zu meiner großen Verblüffung tatsächlich passiert. Gleich am ersten Tag, beim Joggen im Central Park in New York, kamen zwei Leute an und sagten zu mir: „Hey, können wir ein Selfie machen?“ Allerdings kamen die auch aus Deutschland, ein Zufall.

Wie waren die Dreharbeiten in den USA?

Es ist ein Riesenunterschied, ob ich in Berlin vor meiner Haustür drehe oder in New York, wo ich an Strawberry Fields vorbeilaufe, der Gedenkstätte für John Lennon, oder über den Times Square gehe. Ich bin auch mal nach Ellis Island rübergefahren, das ist diese Insel neben der Freiheitsstatue, wo früher die Einwanderung in die USA abgewickelt wurde. Das ist heute ein Museum, ich habe einen ganzen Tag dort verbracht, das hat mich sehr nachdenklich gemacht. Dort sind in etwa 60 Jahren zwölf Millionen Menschen in die USA eingewandert. Fremde, die dieses Land letztlich aufgebaut und zu dem gemacht haben, was es heute ist. Wenn ich dann daran denke, wie schwer wir uns in Deutschland mit dem Thema Einwanderung tun – das ist ein seltsames Verhalten, da ist einiges zu klären.

Sie sind in der DDR aufgewachsen. War Amerika vor dem Fall der Mauer auch für Sie ein Sehnsuchtsland?

Dazu kann ich nur sagen: Als die Mauer gefallen war, sind mein bester Freund und ich auf unseren Fahrrädern von Vancouver aus immer die Westküste runterzufahren, bis nach Los Angeles. Also klares Ja!

Würden Sie das heute noch schaffen?

Lassen Sie sich nicht täuschen: Ich sehe vielleicht nicht so aus, aber ich bin relativ sportlich!

Würden Sie sagen, dass sich die USA zum Nachteil verändert haben?

Zumindest Manhattan hat sich deutlich geändert. Es wird immer teurer, und die meisten meiner Freunde, die dort gelebt haben, können sich das nicht mehr leisten. Kleine Buchgeschäfte oder Kneipen, die ich noch in Erinnerung hatte, sind weg, da sitzt jetzt irgendeine Bank drin. Aber natürlich ist New York immer noch ein interessanter und außergewöhnlicher Ort.