Die großen Gassenhauer sind nicht ihr Ding. Jan Josef Liefers und Radio Doria haben im Theaterhaus vor allem brave Hausmannskost geboten. Reicht das?

Stuttgart - Ich hätte mir nicht träumen lassen, eines Tages dem Rock-’n’-Roll-Business zu verfallen“, sagt Jan Josef Liefers an diesem Abend im ausverkauften Theaterhaus. Und dass er ein zweites Standbein habe, vergisst er später nicht anzufügen: „Ich drehe manchmal auch Filme.“ Ja ja, in vielen vielen Fernseh- und Kinofilmen ist Jan Josef Liefers bekannt geworden und mit seinem Partner Axel Prahl zusammen ist er derzeit sprücheklopfend auch in witzigen Werbeclips für eine Automobilmarke zu sehen.

 

Der in Dresden geborene Mann ist sehr bekannt, womöglich hängte es auch damit zusammen, dass ihn alle als Sänger seiner Band Radio Doria mit seiner Rock- und Popmusik sehen und hören wollen. Natürlich hat auch seine Musik inzwischen einen hohen Bekanntheitsgrad erlangt, doch so richtig ist das nicht nachzuvollziehen. Die großen Gassenhauer hat er nicht zu bieten und auch darüber hinaus ist musikalisch eher brave Hausmannskost zu hören. Ein begnadeter Shouter und wütender Schreihals ist er jedenfalls nicht. Ihm gelingt eher der unaufgeregte Stil typisch deutscher Popmusik, der eine Art Küchenphilosophie gerne mit so etwas wie musikalischer Lebensberatung und sensibler Selbstbespiegelung zusammenbringt.

Wohlabgefederte Erbaulichkeit

Auch liegt ihm das Spiel mit Worten. Im Titel „Verlorene Kinder“ aus seinem Album „Die freie Stimme der Schlaflosigkeit“, der gegen Ende des mehr als zweistündigen Konzerts viel Begeisterung hervorruft und zu dem er etliche Luftballons durch die Luft tanzen lässt, heißt es: „Wir sind vollkommen verschieden, wir sind weit gekommen, war’n schon als Kind so weit weg, hab’n viel geschwor’n, auch auf die Liebe . . .“ Ach ja, die Kindheit. Das Kind steckt nicht nur im Manne. Wohlklingphrasen aller Art sind auch in englischsprachigen Hits beliebt, nur dass hier der Eindruck bleibt, die Darbietung habe wenig Biss und baue stattdessen eher auf wohlabgefederte Erbaulichkeit.

Die fünfköpfige Band hinter dem mit einem Charlie-Chaplin-Hütchen angetanen Sänger tut zwar kompetent ihren Dienst – hier und da ein Gitarrensolo, dort eine rhythmische Explosion oder eine gut gelaunt absolvierte akustische Einlage –, mehr aber ist da nicht. Hervorblitzende Delikatessen, eine genaue Dosierung der Mittel – kurz: internationale Klasse sucht man vergeblich. Der 51-jährige Sänger setzt keine Glanzpunkte, sondern versucht seinem Publikum irgendwie aus dem Herzen zu singen. Los geht’s mit dem Titel „Die Tiere des Waldes“, zu dem die Musiker sämtlich Tiermasken tragen, ein putziger Einfall. Insgesamt hätte sich mancher noch mehr solcher bildhaft theatralischer Einfälle gewünscht. Doch es bleibt dabei, Liefers belässt es bei der Inszenierung von eingängigen Befindlichkeiten, widmet seiner Mutter Liedgut, beschwört gute Nachrichten, besingt die durchgewachten Nächte und anderes. Kann man, muss man aber nicht.