Jan Ullrich hat gedopt – zu dieser Erkenntnis kommt der Internationale Sportgerichtshof. Gestehen will Ullrich aber immer noch nicht.  

Chef vom Dienst: Tobias Schall (tos)

Bielefeld - Jan Ullrich strahlte. Es war Mittwoch in Bielefeld, und es war ein guter Tag für den einstigen deutschen Sporthelden. Es galt, ein bisschen PR für den neuen Sponsor zu machen, ironischerweise, oder zynischerweise, wie man es sehen mag, für die Firma Alpecin - die hatte jahrelang im Umfeld der Tour de France mit dem Slogan "Doping für die Haare" geworben. Jan Ullrich als Testimonial für ein Produkt, das sich leistungsfördernd auswirken soll - welch sinnige Koinzidenz. Am Tag darauf, am Donnerstag also, wurde erstmals sportrechtlich festgestellt, dass der 38-Jährige sich mit leistungsfördernden Mitteln auskennt.

 

Jan Ullrich hat gedopt.

Zu dieser Erkenntnis kommt der Internationale Sportsgerichtshof Cas in seinem Urteil. Der tatsächliche Neuigkeitswert hält sich in Grenzen. Ullrich hat betrogen? Und Griechenland hat Schulden. Und die Erde ist eine Kugel. Dass Jan Ullrich gedopt hat, das bezweifelte ja schon seit Jahren angesichts der erdrückenden Beweise keiner mehr, was fehlte, waren Brief und Siegel einer Institution. Insofern markiert der Spruch der Richter zumindest das Ende eines zermürbend langen Prozesses, der sich über fünf Jahre hingezogen hat.

Das Lieblingskind der Deutschen

Der Cas stellt dabei folgende Beweiskette auf: der Arzt Eufeminao Fuentes war in Doping verwickelt; Jan Ulrich war mehrfach in Spanien bei Fuentes; Jan Ulrich hat Fuentes mindestens 80.000 Euro für nicht näher definierte Dienste überwiesen; ein DNA-Test hat belegt, dass dort zu Dopingzwecken gelagerte Blutbeutel von Jan Ullrich stammen. Schuldig. Der Cas betonte, dass er überrascht gewesen sei, dass Ullrichs Advokaten den Wahrheitsgehalt dieser Beweise nie in Zweifel gezogen hätten.

Die "Operacion Puerto" führte 2006 kurz vor der Tour de France zum Ausschluss von Ullrich und zu seiner Entlassung beim Team T-Mobile. Bei der Razzia in Madrid waren zahlreiche Blutkonserven und Medikationspläne gefunden worden, die zahlreiche Radfahrer, aber auch andere Spitzensportler belasteten. Es war das Ende der Karriere des einstigen Lieblingssportler der Deutschen. Ullrich war nach seinem Tour-Sieg 1997 in den sportlichen Hochadel aufgestiegen, ein Sympathieträger, weil er ein freundlicher Mensch mit Fehlern war, er stand fast auf einer Stufe mit Koryphäen wie Max Schmeling und Fritz Walter. Mit seinem Absturz brach ein Gebilde, von dem viele profitiert hatten, wie ein Kartenhaus in sich zusammen.

Am 26. Februar 2007 erklärte Ullrich seinen Rücktritt - ohne allerdings seine Schuld einzugestehen. Mit einem einzigen Satz fasste er damals die Lebenswirklichkeit der Szene zusammen. "Ich habe niemanden betrogen." Die Aussage ist das Konzentrat des Radsports. Einer moralisch bankrotten Branche, in der Doping alltäglich ist und in der der Betrug aller in der Innensicht die Chancengleichheit scheinbar wieder hergestellt hat. Im Jahr 2008 wurde ein zivilrechtliches Verfahren in Bonn gegen die Zahlung von 250.000 Euro eingestellt. Die Staatsanwaltschaft hielt damals schon fest: "Unsere Ermittlungen über 21 Monate haben ergeben: Ullrich hat gedopt." Ullrich kommentierte die Einstellung auf seiner Homepage: "Die Zahlung ist kein Schuldeingeständnis. Ein Geständnis konnte es auch deshalb nicht geben, weil es keinen Betrogenen gibt."

Neuen Lebensmut gefasst

Bis heute hat der in der Affäre lange schlecht beratene Jan Ullrich Doping niemals offen zugegeben. Verklausuliert ja, aber er hat eben nie reinen Tisch gemacht. In letzter Zeit hatte sich schon angedeutet, dass er eine Rückkehr in die Realität nach seiner Flucht in eine Parallelwelt wagen will. Nach einem Burn-out fand er neuen Lebensmut, er öffnete sich auch dank seines neuen Managements und kehrte in die Öffentlichkeit zurück. Zuletzt war er sogar Gast beim "Ball des Sports" gewesen.

Im Ullrich-Lager wurde am Donnerstag lange an einer Stellungnahme gefeilt. Macht er ein Geständnis, ein Teilgeständnis, oder fährt er weiter die Strategie des Zwischen-den-Zeilen-Geständnisses? Das Tour-Podium 2005 besteht nach der Streichung des Drittplatzierten Ullrich nun übrigens aus Lance Armstrong sowie den Fuentes-Kunden Ivan Basso und Francisco Mancebo. Ulrichs Sieg bei der Tour de Suisse 2006 geht an den Fuentes-Kunden Koldo Gil.

Der gefallene Superstar

Erfolge Gesamtsieg bei der Tour de France (1997), fünfmal Gesamtzweiter bei der Tour de France (1996, 1998, 2000, 2001, 2003), Olympiasieger im Straßenrennen (2000), Sieger der Vuelta (1999), Sieger der Tour de Suisse (2004), Zeitfahr-Weltmeister (1999, 2001).

Doping Am 12. Juni 2002 wird Ullrich positiv auf Amphetamine getestet. Er begründet den Befund mit der Einnahme einer Pille in einer Discothek. Am 23. Mai 2006 werden bei einer Razzia Blutbeutel und weitere Dopingpräparate sichergestellt. Per DNA-Abgleich werden einige der Blutbeutel Ullrich zugeordnet. Seine Sperre beginnt rückwirkend vom 22. August 2011 an. Außerdem werden ihm alle Resultate seit dem 1. Mai 2005 gestrichen. dpa