Mit „Maria, ihm schmeckt’s nicht“ hat Jan Weiler einen großen Erfolg gelandet. Weit weniger spaßig geht es in „Kühn hat zu tun“ zu. Doch auch das ist ein großartiger Roman.

Lokales: Hans Jörg Wangner (hwe)

Stuttgart - „Kühn hat zu tun.“ Was für eine Untertreibung. Auf Martin Kühn, den Helden in Jan Weilers Roman, stürzt es von allen Seiten ein: er muss Mörder fangen, ein Haus abbezahlen, hat eine Tochter, die ein Pferd will, einen Sohn, der nach rechts abdriftet, einen neuen Staatsanwalt, der anscheinend ein ziemliches Arschloch ist, begründete Sorge um seine Pensionsansprüche und dann noch die hochgiftigen Überreste eine Munitionsfabrik auf seinem Baugrundstück. Mit einem Wort: Jan Weiler setzt da so etwas wie einen modernen Hiob auf die Münchener Weberhöhe, einen ökosozialen Vorzeigestadtteil. Und wie schon in seinem Erfolgsstück „Maria, ihm schmeckt’s nicht“ beweist der Autor, dass er eine sichere Hand für die Tragik seiner Figuren hat.

 

Das milde und das große Grauen

Nun ist „Kühn hat zu tun“ kein Luststück, und so bleibt Weiler vollends viel Raum, um das alltägliche Grauen zu beschreiben. Das milde, dass sich in Hausmeisterprosa äußert („Es muss nochmals darauf hingewiesen werden, das es sich bei Baterien und Druckerpatronen, um Sondermüll handelt der NICHT IN DIE PAPIERTONNE gehört!!!!!!“). Und das große in Form von bürgerlichen Existenzängsten, Elternsorgen, Vergänglichkeit – und natürlich Gewaltverbrechen.

Mittendrin Martin Kühn, dessen neuer Chef mit seiner Herkunft angibt („Ich bin ein Topjurist aus einer Familie von Topjuristen“), ohne Quellenangabe Nietzsche zitiert und mit seinem Namen kokettiert (Globke, Dr. Hans Globke). Kühn hingegen wirft er an den Kopf, dass er bloß Realschulabschluss habe, „Dreck unter den Fingern“ und „Yin und Yang nicht von Ernie und Bert unterscheiden“ könne.

Überaus dichte Zustandsbeschreibung der Gesellschaft

Immerhin: der Mann mit dem Namen eines berüchtigten Nazis steht dann doch hinter dem Kommissar, der am Ende einen Serienmörder stellt, wie er von der Fiesheit her auch in einen amerikanischen oder skandinavischen Krimi passen würde. Der Showdown ist zwar etwas überkonstruiert, ebenso die Beziehung Kühns zu dem Täter. Das schmälert allerdings nicht die Güte der atmosphärisch überaus dichten Zustandsbeschreibung unserer Gesellschaft.

Genauso großartig ist der Prolog, der das selbstgewählte Ende eines nationalsozialistischen Rüstungsfabrikanten beschreibt, der dann qua Dummheit und Geschichtsklitterung zum Widerstandskämpfer hochstilisiert wird. Klasse!

Jan Weiler: „Kühn hat zu tun“. Roman. Kindler Verlag, Reinbek 2015. 318 Seiten, 19,95 Euro. Auch als E-Book, 16,99 Euro; als Audio-CD, 15,99 Euro; und als Hörbuch-Download, 12,99 Euro.