Nach Atomunglück wird Japan gemieden. Unsere Autorin hat sich dennoch umgesehen.

Mein Nachbar auf dem Flug von Frankfurt nach Osaka hatte Probleme bei der Sicherheitskontrolle, reiste er doch mit ungewöhnlichem Gepäck: einem eigenen Geigerzähler. Beruflich nach Japan unterwegs wollte der Medizinprofessor selbst checken, was es in Osaka, Nara und Tokio mit der gefürchteten Strahlung auf sich hatte. Diese Furcht vor Radioaktivität hat Japans Tourismus aus „Übersee“ – dazu zählt auch Deutschland – seit der Katastrophe von Fukushima schwer getroffen. Einige meiner japanischen Freunde spüren es hautnah. Obwohl sie alle weit entfernt vom Katastrophengebiet leben, ist auch für sie seit dem 11. März 2011 nichts mehr wie vorher. Um sie zu sehen, wartete ich, bis die jährliche Taifun-Saison zu Ende war: November– beste Jahreszeit für eine Japan-Reise.

 

Erste Station ist die alte Kaiserstadt Kyoto, 519 Kilometer von Fukushima entfernt. So wunderschön mit ihren unzähligen Tempeln, mit der berühmten Geisha-Kultur, mit Shinto-Schreinen und Zen-Gärten. Die kleine Pension The Three Sisters, Geheimtipp für Ausländer, liegt ideal in einem Museumsviertel und nur um die Ecke zu Kyotos Symbol, dem Heian Shrine. Normalerweise ist es schwer, jetzt hier ein Zimmer zu bekommen. Diesmal ein Kinderspiel. Strahlend begrüßt mich Kay Yamada, die Wirtin. Hat sie doch richtig viel Zeit für mich! Außer einer Schweizerin, die im Namen vom Serviceclub Zonta einen gespendeten Kleinbus übergeben will, gibt’s keine Gäste. Bittere Monate liegen hinter Kay. Hanami, die legendäre Kirschblüte, beginnt im März. Am 11. waren auch in diesem Jahr ihre zwölf Zimmer bis Ende Mai ausgebucht. Und dann hatte Kay nur noch Stornierungen zu bearbeiten. Jetzt endlich wieder ein Hoffnungsschimmer: ein paar mehr Gäste im November und die ersten Buchungen für Hanami 2012. Takuya Nishimatsu im Tourismusamt der City of Kyoto bestätigt: „Bei uns blieben 90 Prozent der Gäste aus.“ Dabei sei Kyoto überhaupt nicht betroffen, die Strahlungswerte seien stets völlig normal gewesen.

Radioaktive Strahlung – natürlich auch in Japan das große Thema. In der „Japan Times“, einer der wenigen Zeitungen, die ich lesen kann, gibt die Regierung täglich die neuesten Werte bekannt. Sie basieren auf Messungen in 36 Präfekturen im ganzen Land, stündlich, rund um die Uhr. Im Ergebnis vergleicht die japanische Tourismusorganisation JNTO, dass die Strahlung in Berlin höher ist als in Tokyo, in New York und Hongkong sowieso. Aber was nützt es den Japanern in den – wie sie meinen – sicheren Gebieten, wenn man diesen Werten in „Übersee“ keinen Glauben schenkt?