Jason Derulo hat sein Konzert in Stuttgart nachgeholt und die ausverkaufte Porsche-Arena in einen Rausch versetzt: Eineinhalb Stunden lang hat der R‘n’ B-Star aus Florida ein Feuerwerk aus Musik, Muskeln und archaischen Bildern geboten.

Stuttgart - Sie alle werden diesen Abend nicht vergessen, doch eine wird sich mehr an ihn erinnern als alle anderen. Jason Derulo, der Star des R‘n’ B im Jahr 2018, ein 29-Jähriger, dessen Alben Platin holen, der dunkel, geschmeidig und muskulös über die Bühne tanzt, sucht auch in Stuttgart sein It-Girl und findet es. Eine junge Frau wird von Security-Kräften auf die Bühne geholt, sitzt dort nun im Licht auf einer Stufe und wartet. Derulo geht ihr entgegen, stolz, gemessenen Schrittes, sinkt vor ihr auf die Knie, küsst ihre Hand, setzt sich dann neben sie, küsst ihre Wange.

 

Jason Derulo begann vor zwölf Jahren, Songs für große Kollegen des R‘n’B zu schreiben. Drei Jahre später hatte er selbst seinen Durchbruch. Vier Alben veröffentlichte er seither; sie alle wurden mit Gold oder Platin ausgezeichnet. Im Frühjahr 2018 schon wollte der Sänger in die deutschen Hallen kommen – die Tournee wurde verschoben, die Produktion eines neuen Albums war der Grund. Am Mittwochabend holt er seinen Auftritt nach – die Porsche-Arena ist ausverkauft, 5500 Fans fiebern Jason Derulos Auftritt entgegen.

Derulo im Lendenschurz wird zum Löwen

Sie fiebern lange: Erst gegen 21.20 steht der Star auf der Bühne. Bis gegen 20.45 Uhr sind es Marcus und Martinus, die die Stimmung in der Halle anheizen, die Zwillinge aus Norwegen, die vor Monaten erst im Alleingang den Beethovensaal der Liederhalle füllten, die nun auch in der größeren Halle die tanzende Euphorie lostreten. Dann eine Pause, gewiss zu lang. Plötzlich steht der DJ Jae Murphy an seinem Pult, lange Rastas, eine tiefe, wilde Stimme, feuert seine Beats und Samples in den Saal, lässt die tiefsten Bässe rollen. Die Porsche-Arena wird dem Klangereignis, das Jason Derulo nun folgen lässt, erstaunlich gut gerecht. Eine Show beginnt, bei der zuletzt das weiße Konfetti explodiert, bei der Tänzer, Tänzerinnen in perfekter Choreografie vorüber wirbeln, die Erotik, Exotik, Romantik im großen Stil inszeniert.

Erst ist da das Bild der Wüste, es leuchtet über der Bühne. Der Löwe, der in seinem Revier umher geht. Jason Derulo, kriegsbemalt im Lendenschurz, der ihm entgegen sprintet. Mensch und Tier treffen aufeinander, erstarren: Derulo wird selbst zum Löwen. „2 Sides“ hat er seine Tour getauft; die eine Hälfte seines Gesichtes wandelt sich auf der Bildwand in ein Wildtier. Dann steht der Sänger selber da, auf der Bühne der Porsche-Arena, auf einem kleinen Podest, trägt einen Umhang, den er gleich fallen lässt, trägt darunter immer noch den Lendenschurz – und beginnt den ersten Hit: „Watcha say“.

Michael Jackson und Harry Belafonte lassen grüßen

Jason Derulo wird begleitet von drei Live-Musikern und seinem DJ; sein R‘n’ B integriert sehr energisch Momente der Rockmusik; Gitarre, Bass und Schlagzeug peitschen Höhepunkten entgegen, Klangflächen, Ambientklänge irrlichtern auf der Bühne. All das dient der Show, dient dem Star, seiner Inszenierung. Derulo singt mit Kopfstimme, hält den Ton lange, ausdrucksstark; eine Backgroundsängerin kontert mit voller, warmer Stimme, beide singen ein Duett. Die große Show läuft ab mit der Präzision eines Uhrwerks – keine Bühnenbauten, nur der Heroismus der Bilder, die weite Fläche, die Vorbühne, der Tanz. Nur manchmal gönnt der Mann, um den sich diese Popwelt dreht, eine ruhige Sekunde, ein breites Lächeln, und dann sagt er auch, wie schön Stuttgart ist und wie besonders.

Jason Derulo wechselt im Fluge die Kostüme. Tanzt er mit bodenlangem Mantel, breitkrempigen Hut, erscheint ein Spukhaus auf der Bildwand, wanken dort Zombies umher, scheint er Michael Jackson die Reverenz zu erweisen. „Time to say goodbye“ markiert noch lange nicht das Ende dieser Show – große Hits werden noch folgen, die Porsche-Arena wird mit Derulo „Swalla“ singen; mit „Talk dirty“ und „Want to want me“ wird er sich dann verabschieden. Derulo wurde in Florida geboren, seine Vorfahren stammen aus der Karibik – und das mag der Grund sein, weshalb er sich früh am Abend schon vor einem anderen großen Vorbild verbeugt: Denn da kehrt, verpackt in den Glanz des 21. Jahrhunderts, Harry Belafontes „Banana Boat Song“ wieder. „Don‘t wanna go home“ heißt das Stück bei Derulo – aber nach knapp 90 Minuten ist es dann doch so weit.