Jazz im Theaterhaus Eine kleine Formation macht ganz großen Jazz

Da fliegt dir doch das Blech weg: die Tiny Brass Band im Theaterhaus. Foto: Staiber

Magnus Mehl und die fantastische Tiny Brass Band haben bei einem starken Auftritt im Theaterhaus ihre neue CD präsentiert.

Der gewaltige Hall der Widderhorn-Posaunen riss einst die Mauern von Jericho nieder. Dreitausend Jahre später kommen drei Bläser und ein Schlagzeuger auf die Bühne, nicht um das Theaterhaus zu demolieren, sie möchten die Ohren der Menschen öffnen, den Verstand anregen, Seelen freundlich stimmen. Schaukelnde Tubatöne senden wohlig warme Schallwellen in die Körper der Jazzfreundinnen und -freunde. Schlagzeuger Ferenc Mehl treibt den Rhythmus energisch und einfühlsam an. Es entsteht eine Startrampe, von der Christian Mehler mit seinem lupenreinen Trompetenklang abheben und Magnus Mehl mit der Sinnlichkeit seines Altsaxophons meisterhaft antworten kann. Die Tiny Brass Band hört sich dabei weniger an wie eine Marching Band, eher wie eine gut aufgelegte Improvisationsformation, die einen mit atmender Musik in tolle Klanglandschaften führt.

 

Knallhart geht es dabei zur Sache oder hauchzart, immer jedoch musikalisch stringent und mitreißend. Die virtuos geblasene Tuba von Lars Andreas Haug – mit gleichzeitigem Gesang vermischt – unterlegt die Fragilität luftiger Klänge mit wohltuender Tiefe und Wärme. Das trägt zur gelösten Stimmung des Publikums bei, das im Lauf des Konzerts immer fröhlicher und am Ende enthusiastisch applaudiert.

Die Reise führt ins beschwingte New Orleans, weiter zu einer Nummer, die so heftig daherkommt als habe die Tür zum Maschinenraum eines Schiffs sich geöffnet. Dann geht’s mit dezentem Groove und einem Blues in Moll in das herbstliche nebelverhangene Novi Sad, weiter zu der von tänzerischen Latin Sounds imprägnierten Sunny Side von New York und schließlich zu angriffslustigen Radlern in Amsterdam. Wieder fasziniert der Tubist mit einem Gebläse zwischen elefantösem Brunftschrei und allerliebster Zärtlichkeit. Die vier Jazzer lassen bei der stilistischen Vielfalt ihres Programms das Schwere leicht, das Vertrackte locker erscheinen.

Die Tiny Brass Band mag klein sein, doch macht sie großen Jazz. Mit einem gregorianischen Choral gedenken schließlich Musiker und Publikum der kürzlich verstorbenen Gudrun Schretzmeier. Als dann die Zugabe „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“ ertönt, schmelzen die Herzen dahin.

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