Jazz Open in Stuttgart Jools Hollands Boogie-Woogie treibt die Temperatur
Jools Holland reißt das Publikum im Alte Schloss mit. Das Count Baischy Swingtett mit Roland Baisch stand ihm zuvor musikalisch aber in nichts nach.
Jools Holland reißt das Publikum im Alte Schloss mit. Das Count Baischy Swingtett mit Roland Baisch stand ihm zuvor musikalisch aber in nichts nach.
Ausnahmsweise beginnen wir mit der Aufzählung berühmter Namen: Amy Winehouse, Van Morrison, Peter Gabriel, David Gilmour, Lou Reed, Chuck Berry, B. B. King, George Harrison, Ringo Starr, Paul McCartney, Eric Clapton, Norah Jones. Sie alle sind bei „Later with . . . Jools Holland“ aufgetreten. Seit dreißig Jahren läuft diese Liveshow wöchentlich in der BBC und hat zweifellos musikhistorische Verdienste.
Jools Holland ist nicht nur Moderator, der Mann setzt sich auch gern ans Klavier, um darauf am liebsten Boogie-Woogie zu spielen. Auf einem G8-Gipfel spielten er und sein Rhythm & Blues Orchestra einmal „All You Need is Love“ für die versammelten Staatsoberhäupter. Als Jacques Chirac das bekannte Trompeten-Intro hörte, meinte er den Beginn der französischen Nationalhymne zu vernehmen und erhob sich. Blair, Clinton und Jelzin taten es ihm nach. Als die Herren merkten, dass es sich um einen Song der Beatles handelte, tanzten sie ein bisschen.
Mit einer tiefen Verbeugung eröffnet Jools Holland wie ein Höfling des Rock ’n’ Roll den Reigen, und der schöne Arkadenhof des Alten Schlosses erschallt in der Hitze der Nacht von den eingängigen Big-Band-Klängen des 15-köpfigen Rhythm & Blues Orchestra und seinem fingerfertigen Chef. Der lässt seine Linke unentwegt marschieren und hämmert mit der Rechten Blues-Harmonien in die Tasten. Jools Holland fragt scheinheilig, ob ein Boogie-Woogie – seine Paradedisziplin – erwünscht sei. „Sehr gern!“, signalisiert das Publikum. Und schon geht’s weiter im flotten Barrelhouse-Stil. Mit „Please Forgive Me“, einer wohltemperierten Ballade, die Holland mit bescheidener Singstimme vorträgt, von einer Hammondorgel sinnlich-sehnsüchtig unterlegt, wird das atemlose Boogie-Tempo verlangsamt.
Es folgt der Auftritt einer Gastsängerin, der das Kunststück gelingt, Schlager und Big-Band-Jazz miteinander zu vereinen. Von ferne lassen die 50er Jahre grüßen. Aus dieser Richtung schaukelt auch „Trouble in Mind“, ein Vaudeville-Blues mit süßen Harmonien vorbei. Die E-Gitarre klingt etwa so, wie amerikanisches Softeis schmeckt. Happy Hour im Alten Schloss. Die Menschen haben Lust, sich zu den Rhythmen in den Hüften zu wiegen. Selbst als ein paar Tropfen fallen, geht die Party unter Regencapes weiter.
Zuvor hatte Roland Baisch mit einem Jazz-Quintett aus deutschen Landen und dank seiner angenehmen Baritonstimme das Horsd’œuvre geliefert für die große Cocktailparty, die folgen sollte. Vor allem Swing-Standards mit deutschen Texten standen auf dem Programm. Er habe denselben Englischlehrer gehabt wie Günther Oettinger und singe deshalb lieber auf Deutsch, so die einleuchtende Erklärung des 69-jährigen Entertainers. Das klang dann etwa so: „Stuttgart ist meine Lady, und einer Lady bleibt man treu.“ Da dieser Jazz raffinierter war und differenzierter klang als die Happy-Hour-Musik von Mister Holland, möchten wir mit einer weiteren Aufzählung schließen: Thilo Wagner am Flügel, Veit Hübner am Kontrabass, Schlagzeug Obi Jenne, Frank Wekenmann an der Gitarre, Ingolf Burkhardt Trompete und Paul Heller am Saxofon.