Der US-Saxofonist Kamasi Washington, 36, gilt als Erneuerer des Jazz. Beim Auftritt im Innenhof des Alten Schlosses hat er dies nicht überzeugend bestätigt.

Stuttgart - „Change Of The Guard“, der erste Song auf Kamasi Washingtons hochgelobtem Album „The Epic“ (2015), eröffnet auch dessen Konzert im Innenhof des Alten Schlosses – und er setzt gleich den Ton des Abends: Das afroamerikanische Kollektiv des Saxofonisten ist gekommen, um sich zu beschweren, und es bringt Frieden – mit dem Holzhammer. Saxofon, Posaune, Frauenstimme, Keyboard, Bass und zwei Drummer steigern sich in eine wilde Kakofonie hinein. Washington quietscht und röhrt im Solo, was das Zeug hält, und er scheint einen Geschwindigkeitsrekord brechen zu wollen. Überwältigung durch Lautstärke und Masse – darum geht es hier. Doch die Energie verpufft in Passagen, die bis zum Anschlag vollgestopft sind mit Noten. Die Schlagzeuger dreschen zu, bis die Späne fliegen. Nur punktuell nutzten sie die polyrhythmischen Möglichkeiten.

 

Der 36-Jährige Washington gilt als wichtiger zeitgenössischer Jazzer, er war mit dem Rapper Kendrick Lamar im Studio und er sucht hörbar die Erneuerung. Dabei ist er ein Virtuose alter Schule. Er zieht große Themen orchestral auf wie in „Final Thought“, er lässt in ruhigen Passagen süße Melodien blühen, er soliert minutenlang, ohne Spannung zu verlieren, und er reißt gerne den Gashahn auf. Würde er nicht Poncho und Wollmütze tragen, man könnte ihn sich in einem Bebop-Club vorstellen, in dem die rastlosen Helden in Jack Kerouacs Beatnik-Roman „On The Road“ (1957) Station machen.

An den Jazzrock der 70er Jahre erinnert „Malcolm’s Theme“, eine Hymne auf den ermordeten Bürgerrechtler Malcolm X. Die Sängerin Patrice Quinn, die meist dekorativ gestikuliert und tänzelt, intoniert den Song, als wäre er Teil eines Hippie-Musicals wie „Hair“ – das Wort „African American“ hebt sie mahnend hervor, am Ende schreit sie sich etwas von der Seele. Das Anliegen indes bleibt verwaschen wie die aus Zitaten gebaute Musik. Gegenwärtig sein ist vielleicht das Schwerste überhaupt – besonders, wenn wie hier am Tag zuvor ein Altmeister wie Herbie Hancock gezeigt hat, wie Jazz 2017 geht.