Pat Metheny, ein verträumter Alleskönner an der Gitarre, hat die Zuschauer im Alten Schloss verzückt – die verwunschene Atmosphäre des Spielortes wiederum hat ihn selbst beeindruckt.

Stuttgart - Nach knapp zweieinhalb Stunden badet Pat Metheny im Applaus. Die rund 1000 Zuschauer im ausverkauften Innenhof des Alten Schlosses sind aufgestanden und jubeln ihm minutenlang zu unter den rot, blau, violett illuminierten Arkaden. Sie geben ein Kompliment zurück: Während der Show hat der Gitarrist das besondere Ambiente gelobt und das ihm zugewandte Publikum. Nun ist er sichtlich gerührt und wirkt in seiner Bescheidenheit fast ein wenig unbeholfen in seinem gestreiften Oberteil, seiner Jeans, seinen Sneakers. Von Ferne sieht er noch aus wie der hochbegabte Junge, der mit 18 schon Gitarrenprofessor war, doch sein angegrauter Schopf verrät ihn: Metheny ist mittlerweile 63.

 

Sein funkensprühendes Gitarrenspiel hat nichts von seiner Strahlkraft eingebüßt, auch wenn er an diesem Abend eine gute halbe Stunde braucht, bis er richtig in Fahrt kommt – was vor allem daran liegt, dass sein Mischer den Sound zunächst allzu defensiv gestaltet. Dann aber brennt Metheny ein wahres Feuerwerk ab, das quer durch sein Schaffen führt. „Ich dachte, ich spiele mal all die Lieder und mache daraus ein Programm“, sagt der Alleskönner an der Gitarre, der die Möglichkeiten elektrischer wie akustischer Instrumente voll ausschöpft. Dass er für einen Jazz-Musiker erstaunlich populär geworden ist, liegt daran, dass er in seinen Kompositionen zuvorderst auf Melodien setzt und den Jazz-Anteil so fein dosiert, dass das Zuhören auch Ungeübte nicht zu sehr anstrengt.

Metheny sprudelt vor Ideen

Metheny beginnt an der Pikasso-Gitarre mit ihren vier Hälsen und 42 Saiten, die die Kanadierin Linda Manzer 1984 für ihn gebaut hat – und die wohl niemand sonst so virtuos bedienen kann. Mit den Händen ständig springend, schichtet er Picking, Oktavmelodien und Harfensounds zu einem sehr eigenen New-Age-Sound. An der halbakustischen Gitarre bringt er seinen charakteristischen Jazz-Leadsound, glockig und singend, an der elektrischen kommt noch der ebenfalls charakteristische Gitarren-Synthesizer dazu.

Metheny gehört zu den Musikern, deren Inspiration nie zu enden scheint. Er sprudelt vor Ideen, ihm fällt immer noch eine Variation ein. Er mischt melodiöse Themen und jazzig verkantete Improvisation, bürstet seine rasanten Läufe gerne rhythmisch gegen den Strich – und immer wirkt alles, als wäre es genau so geplant. Zwischendurch spielt Metheny sich immer wieder in einen wahren Rausch und lässt die Gitarre in den höchsten Tönen jubilieren. Dass er sich diese Leidenschaft nach all den Jahren bewahrt hat, verdient größten Respekt.

Traumverloren spielt er „Last Train Home“

Musikalisch spannt er den Bogen von Fusion bis zum Folk und wieder zurück, er inszeniert musikalische Eruptionen und schafft danach Raum zum Durchatmen. Mal lässt Metheny die Engel singen, mal imitiert er eine kreischende Orgel. Dann wieder sitzt er alleine auf der Bühne und spielt traumverloren eine Akustikversion von „Last Train Home“. Viele seiner erzählerisch angelegten Kompositionen erzeugen Filmbilder: Er mit Cowboyhut, der den Pferden mit der Westerngitarre etwas flüstert, er in Wind-in-seinem-Haar-Pose oben auf der Klippe, während sie unten über den Strand hüpft in einem hellen Sommerkleid, das in der Brise flattert.

Der walisische Pianist Gwilym Simcock entlockt dem Flügel nach verhaltenem Beginn zunehmend wilde, dramatische Soli, und auch die zunächst einfühlsam grundierende Kontrabassistin Linda May Han Oh kommt mit elegant gesponnenen Solopassagen aus der Deckung. Besonders aber sticht der gefragte mexikanische Drummer Antonio Sanchez heraus, der für seine Filmmusik zu „Birdman“ (2014) einen Golden Globe bekam und für einen Oscar nominiert war. Hat er sich zu Beginn dem Verdacht ausgesetzt, den Abend als Raschler verbringen zu wollen, dreht er zum Glück bald mächtig auf: In einer furiosen Dialogsequenz mit Metheny schwelgen die beiden in Rock-Impressionen, lassen mal Led Zeppelin durchklingen und mal die frühen Pink Floyd.

Das Alte Schloss ist ein wunderbarer Spielort

Man wird sich an diesen Abend erinnern bei den diesjährigen Jazz Open, die bislang eine Qualitätsdichte bieten, wie es sie wahrscheinlich noch nicht gegeben hat. Mit dem Innenhof des Alten Schlosses hat sich das Festival 2017 einen wunderbaren Spielort erschlossen. Stand die Bühne im vorigen Jahr an der Längsseite zum Karlsplatz, ist sie diesmal an der schmalen Seite zur Markthalle hin platziert. „Unser Plan war, beides zu testen“, sagt Festival-Leiter Jürgen Schlensog, „und die jetzige Variante scheint uns in jeder Hinsicht besser: Die Bühne ist breiter, mehr Leute sehen besser und meine Techniker sagen, der Sound sei ebenfalls besser. Also werden wir dabei bleiben.“

Von diesem Mittwoch an geht es auf dem Schlossplatz weiter mit dem „Open“-Teil – mit Jamiroquai und weiteren Pop-Acts.