Freizeit & Unterhaltung : Ingmar Volkmann (ivo)
Und dennoch beschweren Sie sich, wenn es Ihnen zu lange zu laut ist, Herr Hermes.
Hermes: Die Stadt ist sehr nachlässig, was die Einhaltung des Lärmschutzes betrifft. Wenn es nur um David Gilmour ginge, würde ich mir vieles gefallen lassen. Als Anwohner in Stuttgart-Mitte bin ich im Sommer aber einer Dauerbeschallung ausgesetzt. Wenn die Schallschutzscheiben vibrieren, hört der Spaß auf. Deshalb habe ich mir angewöhnt, den Kontakt zum Ordnungsbürgermeister zu pflegen.
Schlensog: Hier muss ich wiedersprechen: Wer in der Innenstadt wohnt, sollte in der Lage sein, mit dem, was eine Landeshauptstadt mit sich bringt, umzugehen. In der Innenstadt einer kleinen Großstadt gibt es nun mal ein Grundrauschen. Sie könnten ja auch umziehen.
Hermes: Ich muss hier wohnen, es ist mein Dienstsitz!
Die Entwicklung hin zu einer Ausgehstadt kann man aber kaum zurückdrehen.
Hermes: Die Clubbesucher sind nicht das Problem. Das sind die vielen tausend jungen Leute, die zum Saufen herkommen und um ihre dicken Karren zu präsentieren. Weil in Reutlingen oder Balingen keiner guckt, wenn sie mit ihren dicken Schlappen auffahren.
Sie fordern also Fahrverbote für tiefergelegte Balinger?
Hermes: In keinster Weise. In meinen Augen hat man aber viel zu lange viel zu viel laufen lassen. Dazu kommen die Auswüchse der Wegwerfgesellschaft: Wer To-go-Becher verkauft, muss auch für ihre Beseitigung aufkommen.
Apropos Beseitigung: manchmal hat man den Eindruck, dass Sie die AfD im Alleingang beseitigen möchten, Herr Hermes. Diese tiefe Abneigung beruht auf Gegenseitigkeit. Laut „Berliner Zeitung“ sind Sie der von der AfD am meisten verachtete Geistliche in Deutschland. Wie kam es dazu?
Hermes: Ich halte diese Partei für ein Symptom eines völkischen Nationalismus, der keine Probleme löst, sondern Menschen gegeneinander aufhetzt. Das mussten wir in Stuttgart schon früh erleben, da die AfD im Gemeinderat mit besonders unangenehmen Vertretern präsent ist. Das bestätigt einem jeder, der zu der denkenden Mehrheit im Gemeinderat gehört.
Sie verurteilen die AfD aus der Perspektive des Geistlichen.
Hermes: Angesichts der Äußerungen von AfD-Politikern, die nichts zu einer Menschlichkeit in Stuttgart beitragen, sondern nur Hass und Zwietracht säen – und das dann auch noch begründet mit der Verteidigung des christlichen Abendlandes –, kann ich nicht schweigen.
Hat Ihnen Ihr Glaube geholfen, als die digitalen Stammtische wegen Ihrer AfD-Kritik auf Sie eingeprügelt haben?
Hermes: Mein Glaube hilft mir grundsätzlich, um mit dem klarzukommen, was auf der Welt passiert. Mich langweilen die Shitstorms aber mittlerweile. Es sind immer dieselben Sprüche, die da kommen.
Schlensog: Die Kirche tut gut daran, sich in der Gestalt zu positionieren, wie es hier geschieht. Manches, was Vertreter der AfD propagieren, bewegt sich außerhalb unserer demokratischen Grundordnung. Diese Geisteshaltung steht im völligen Gegensatz zu einer weltoffenen Gesellschaft.
Hermes: Ich habe ja viel Gegenwind bekommen, als es um die Frage ging, ob man christlich sein und AfD wählen kann. Da geht es aber um Positionen, bei denen es nicht reicht zu sagen: Die harten Sprüche stehen doch nicht im Parteiprogramm. Das sind durchsichtige Spielchen. Rassismus, Nationalismus, Hass und Hetze kann man als Christ nicht akzeptieren.