Zum Auftakt des Esslinger Jazzfestivals bezaubert das Trio Mare Nostrum.

Esslingen - Am Abend eines herrlichen Spätsommertages führt das Eröffnungskonzert des Jazzfestivals Esslingen das Publikum im Münster St. Paul an die Gestade des Mittelmeers. Mare Nostrum, unser Meer, titulierten die Römer einst stolz das mittelländische Meer. Mare Nostrum nennt sich ein Trio, das auf der europäischen Jazzszene herausragt. Der in Cannes geborene Akkordeonspieler Richard Galliano und der Sarde Paolo Fresu geben den Ton an, während der schwedische Pianist Jan Lundgren bei dem bass- und schlagzeuglosen Trio für harmonische Verbindungen und rhythmisches Fundament zu sorgen hat.

 

Mit spielerischer Leichtigkeit löst er die Aufgabe und überzeugt als Solist mit melodisch perlenden Läufen. Fresu füllt mit seinen weichen und warmen Flügelhorn- oder schärferen Trompetentönen den erhabenen Klangraum des gotischen Sakralbaus, während Galliano, der Älteste dieser Formation, seinem virtuos bedienten Knopfakkordeon Victoria, das er in den Armen wiegt wie ein kleines Kind, melancholische und ein wenig spröde Töne entlockt.

Die Musik hat Intellekt und Gefühl

Eine Stimmung breitet sich aus, die so typisch ist für die Musik des Mittelmeerraums: südliche Wärme mit einem Hauch von Wehmut. So klingt Erinnerungsmusik an Kindheitstage unter mediterraner Sonne, Sehnsuchtsmusik, die einen berührt. Die komplexen Möglichkeiten des Jazz erlauben es den drei Musikern, nicht bloß in Sentimentalitäten zu schwelgen, sondern die Brüche, die Erinnerungen stets innewohnen, spürbar zu machen. So entsteht eine gleichermaßen gefühlsbetonte wie intellektuelle Musik, eine erwachsene Musik, sehr guter Jazz. Das melodische Triospiel lässt sich von französischer Valse Musette und italienischen Volksliedern inspirieren, aber auch von Ravel und Satie, Filmmusiken erklingen (Michel Legrands „Windmills of your Mind“ und Quincy Jones’ „The Getaway“), und immer wieder wird über eigene Balladen von Galliano („Prayer“), Fresu („Perfetta“) und Lundgren („Love Land“) improvisiert. Vor einem sinnlichen Liebeslied fragt Fresu, ob dieses denn in einer katholischen Kirche gespielt werden dürfe, und gibt selbst die Antwort: „Papst Franziskus hätte bestimmt seine Freude daran.“ Seit über zehn Jahren spielt das Trio nun zusammen und agiert mit traumhaftem Verständnis für musikalische Abläufe. Die Poesie seiner ganz eigenen Klangsprache zieht auch im voll besetzten Münster St. Paul die Menschen in ihren Bann. Die drei, die Erstarrung und nationalistische Egoismen verachten, verstehen sich als musikalische Botschafter eines demokratischen Europas. Ein schöner Auftakt des Jazzfestivals Esslingen.