Mit einer kraftvoll jazzenden Besetzung erfreut Pianist und Jazz-Time-Macher Tilman Jäger das Publikum in der Böblinger Kongresshalle. Das Quintett muss in die Überstunden gehen.

Schon die Namen der Gäste schüren gewisse Erwartungen bei den Jazzfans, und diese wurden mehr als erfüllt. Das Konzert sollte eine Hommage an Roy Haynes sein, einen Schlagzeuger, der mit nahezu allen Jazzgrößen gespielt hat. 99-jährig ist er im November vergangenen Jahres verstorben. Seinen Platz durfte am Freitagabend nun Obi Jenne einnehmen.

 

Der preisgekrönte Schlagzeuger war und ist aufgrund seines brillanten technischen Könnens ein gefragter Drummer der deutschen Jazzszene. Wolfgang Dauner oder Klaus Doldinger setzten unter anderen auf seine Spielweise wie auch Tilman Jäger für dieses Tribut an Haynes. Nach dem Ausnahmesaxofonisten Libor Sima, zudem Fagottist im SWR-Symphonieorchester, strecken ebenfalls international namhafte Jazzmusiker die Hände aus, wenn es gilt, außergewöhnliche Spielkunst auf die Bühne zu bringen. Kontrabassist Joel Locher, der Allroundmann, in zahlreichen Genres zu Hause und mit Gismo Graf, Pee Wee Ellis, Charly Antolini und vielen weiteren Jazz-Cracks unterwegs, sowie der Trompeter Axel Schlosser, der ähnliche Meriten aufweisen kann, ergänzten das Quintett.

Der Tenor-Zauberer Sima jagt die Skalen rauf und runter

Entsprechend kraftvoll ging das Konzert gleich los. „Hackensack“, ein Hit des Modern-Jazz-Pianisten Thelonious Monk diente als Aufwärmer, wobei die heißen Soli der Musiker umgehend zeigten, dass die Formation schon bei der ersten gespielten Note in medias res angekommen war. Pat Methenys „H&H“ folgte und Tenor-Zauberer Sima jagte mit viel Körpereinsatz und dennoch entspannt die Skalen rauf und runter, bevor es ihm Schlosser mit seinen Riffs gleichtat. Jäger begleitete und solierte mit rhythmusbetonten Klangkaskaden, und Locher erwies sich ebenfalls als Speedking mit außergewöhnlicher Präzision. Vertrackte Rhythmen am Drumset deckten auf, weshalb man für das Haynes-Programm Jenne beauftragte. Bei diesem relativ langen Vortrag kam zu keiner Sekunde Langeweile auf, zu kreativ dargeboten war das Arrangement.

Erholung dann im Anschluss. „New Birches, Birds and Bees“, eine Komposition des Trompeters, beinhaltete singend intonierte zweistimmige Passagen von Saxofon und Flügelhorn, bei denen sich keiner der Akteure in den Vordergrund spielte. Ein Stück, das Schlosser seinem verstorbenen Vater widmete, wie man im Anschluss erfuhr.

Dynamisch hochwertiges Musizieren mit ekstatischem Finale

Das verspielte „Warming Sunshine“, für seine Tochter komponiert, ging dem Pauseneinläuter „In Case I Missed You“ voraus, welcher von Jäger als „spritzig, frisch und knackig“ angekündigt wurde. Dynamisch hochwertiges Musizieren mit ekstatischem Finale, bei dem Lima mit äußerst kreativen Phrasen glänzte. Ein Drumsolo, gespickt mit polyrhythmischen Figuren, deutete bereits an, was die Besucher in Halbzeit Zwei noch erwarteten sollte.

Nach dem „Stolen Rhythms“-Auftakt ein lässiges Jäger-Solo, mit rhythmischen Zuckerstückchen versüßt, setzte Sima mit schreienden Grawling-Highnotes und Locher, das gesamte Griffbrett seines Instruments nutzend, noch eins oben drauf. Dann eine Verschnaufpause, die Jenne dazu nutzte, Tilmann Jäger und Mit-Veranstalter Ralf Püpcke ein großes Lob für die Jazz-Time-Veranstaltungen auszusprechen, die im kommenden Jahr immerhin schon ihr 25-jähriges Jubiläum feiern dürfen.

Eine Ballade trifft mitten ins Herz

Nach zwei John Coltrane-Nummern, „Dear Old Stockholm“ mit nahezu unübertrefflichem Saxofonspiel, gefolgt von Jägers Kreativfiguren vom Feinsten und „After the Rain”, einer mitten ins Herz treffenden Ballade mit flächigem Piano, gestrichenem Bass und zweistimmigen Bläsersätzen, folgte „Windows“ (Chick Corea) in Trio-Besetzung. „Calypso Fred“ (Freddie Hubbard) hob, karibisch groovend, am Ende nicht nur das Publikum fast aus den Sitzen, sondern auch Jäger vom Klavierhocker; schuld daran war nicht zuletzt ein fantastisches Drum-Solo Jennes. Selbstredend, dass eine Zugabe unausweichlich war und die Combo nach einem Konzert mit Überlänge donnernden Applaus erntete.