Beim Stevie Wonder-Programm präsentiert die Jazztime gleich vier Musiker, die bereits als Schüler am Albert-Einstein-Gymnasium die Liebe zur Musik entdeckt haben. Das Publikum hält es am Schluss vor Begeisterung nicht auf den Liegestühlen

Böblingen - „Signed, Sealed, Delivered, I’m Yours“ – diese Hommage Stevie Wonders an seine Mutter war der perfekte Herzensöffner für einen genussvollen Abend auf dem ausverkauften Parkdeck vor der Kongresshalle. Der Sänger und Waldhornist Maxi Höcherl schrieb die Arrangements für die rund zehn Titel des US-amerikanischen Soul- und Pop-Sängers, die am Freitagabend nicht nur die Herzen schneller schlagen, sondern gegen Ende auch so manches Tanzbein unter den Zuschauern zucken ließen.

 

Zur Seite standen dem Münchner, neben dem Stuttgarter Schlagzeuger Eckhard Stromer auch noch Joachim Staudt (Altsaxofon/Bassklarinette), Christian Mehler (Trompete/Flügelhorn), Martin Simon (Kontrabass) sowie Tilman Jäger am Stage-Piano. Die vier Letztgenannten können allesamt auf eine AEG-Vergangenheit zurückblicken, was wieder einmal eindrücklich bewies, welche großartigen Musiker das Albert-Einstein-Gymnasium schon hervorgebracht hat.

„Es passt alles zusammen“, eröffnet Jäger den Abend „Sie sind da, die Musiker sind da und das Wetter stimmt. Stevie Wonder ist einfach ein Hero, der einmal entsprechend gewürdigt werden soll“. Wonder sei nämlich wesentlich mehr als ein populärer Sänger und Unterhaltungskünstler. Als herausragender Komponist, Multiinstrumentalist und Produzent hat er seit Jahrzehnten Meilensteine gesetzt. Er gilt als „Erneuerer“ schwarzer Musik und deren Spielarten – Spiritual, Blues, Jazz und Funk. Seine Songs, die an diesem Abend präsentiert werden, taugen bestens zum Mitsingen, weil sie fast jeder kennt. Davon wird dann auch immer wieder mal Gebrauch gemacht. Ein Hit jagt den andern.

Nach „Sunshine Of My Live“ und „I Can’t Help It” stellt Jäger aber zunächst mal seine ehemaligen AEG-Schüler vor: „Joachim Staudt war Neuntklässler, als ich damals an die Schule kam und heute haben wir geballte Böblinger Kraft auf der Bühne!“ Dann greift Staudt zur Bassklarinette demonstriert mit seiner Eigenkomposition „The Joker“, wie die gymnasiale Saat im Laufe der Jahre aufgegangen ist. Was da an Klasse zu hören war, unterstreicht auch der Besucher und Hobbybassist Andreas Richter aus Ehningen in der Pause: „Das Zusammenspiel von Bass, Schlagzeug und Bassklarinette war einfach auf den Punkt gebracht und hochkreativ!“

Funky Spähren

Ebenfalls begeisterte ihn Stevie Wonders „I wish“, das sich sukzessive zu einem ordentlichen Groove hochschaukelte: Eingeworfene Bläsersätze, dreistimmige Unisono-Licks, ein phantasievolles Waldhornsolo, gefolgt von einem kraftvollen Saxofonsolo, das zunächst nur von den Drums begleitet wird. Schließlich bricht Staudt mit fulminanten Skalen aus, bevor alle zusammen vollends in funky Sphären abheben. An dieser Stelle sei Arrangeur Höcherl gelobt, der darüber hinaus bewies, dass sein Instrument nicht nur für Bühnen-Deko oder klassische Musik taugt.

Nach der Pause schlägt die Stunde des Chris Mehler. Hatte er schon im ersten Set in Trio-Besetzung mit Jäger und Höcherl angedeutet, wie kreativ und wohlklingend er sein Flügelhorn intonieren kann („If It’s Magic“), zieht er nun mit einer balladenartigen Eigenkomposition alle Register seines Könnens. Mit „Bioluminescence“ gewann er auch einen Preis bei einem Kompositionswettbewerb, lässt Jäger bei seiner Anmoderation wissen; und in der Tat steckt hier alles drin was eine gute Komposition ausmacht. Danach gibt es nur noch „Stevie Wonder at his best “: „Overjoyed “, Don’t You Worry ‚Bout A Thing”, “That’s What Friends Are For” und endlich „Superstition “. Was für ein besseres Finale hätte es geben können als mit diesem Stück alle Leinen loszulassen? Fehlte nur noch „Sir Duke“, die jazzige Nummer Wonders schlechthin.

Die Zuhörer fordern viele Zugaben

Natürlich sind bei einer solch hervorragenden Stevie Wonder-Show Zugabe Forderungen mit einkalkuliert. Also geht mit diesem, Duke Ellington gewidmeten, Stück nochmals ordentlich die Post ab. Einige hält es nicht mehr auf den Liegestühlen und Sitzen. Was man in all den vergangenen Jazztime-Jahren im Württembergsaal der Kongresshalle noch nie sah: Musik, die in die Beine geht, darf nun auch getanzt werden. Erstmals in Stimmung, verhallen danach die Zugabe Rufe immer noch nicht. Also kehren die sechs Herren nochmals auf die Bühne zurück, um mit „Isn’t She Lovely“ den Schlusspunkt mit Ausrufezeichen zu setzen. Alle Akteure spielen sich mit exzellenten Soli ein letztes Mal die Bälle zu. Schöner hätte der Abend kaum enden können; das war aus den strahlenden Gesichtern zweifelsohne abzulesen.

Fast schade, dass es nach dieser überaus gelungenen letzten “Sommer am See“-Livemusik-Veranstaltung 2021 nun wieder in geschlossene Räume geht. Das Ambiente mit dem Altstadt-Hintergrund werden viele sicher vermissen, genauso wie die, im Outdoor-Bereich lockereren Corona-Maßnahmen.