Kultur: Adrienne Braun (adr)
Wobei „Engaging with Histories: An Everyday Life Practice“ auf Englisch stattfindet. Das ist nicht sehr einladend.
Ich gebe Ihnen recht, es wird auf Englisch stattfinden. Das ist die Sprache, mit der sich die Leute hier im Haus austauschen. Wir sind so modern – da gibt es eine gewisse Diskrepanz zwischen einem deutschsprachigen Feuilleton in einer mittelgroßen Stadt und den Ansprüchen der Akademie. Wir haben es versucht mit Dolmetschern, aber die meisten sind überfordert von dem, was dort gesprochen wird. Auch bei Firmen, die vom Export leben, wird Englisch gesprochen.
Sind Symposien in Ihrer Heimat Frankreich auch auf Englisch?
Nein, die Franzosen sind nicht so weit. Aber sie haben auch Probleme mit dem Export, das hängt vermutlich zusammen.
Das Netzwerk der Solitude wächst stetig. Aber was bringt es , wenn man Kontakte zu Künstlern in Brasilien oder Südafrika hat?
Die Stipendiaten können auf das Netzwerk zurückgreifen für die eigenen Projekte und Ideen. In Bezug auf die Institution ist es, wie wenn sie vor sich eine Klaviatur haben und Anfragen kommen, weil zum Beispiel ein Theater einen Autor sucht. Ein Großteil meiner Arbeit besteht daraus, Stipendiaten zu vermitteln.
Haben sich die Stipendiaten verändert?
Es gibt für mich eine wesentliche Veränderung: der Umgang mit Zeit. Am Anfang haben die Stipendiaten die sechs oder zwölf Monate am Stück wahrgenommen. Heute ist ein Aufenthalt von zwölf Monaten am Stück nicht mehr machbar. Damit geht einher, dass junge Mensch in der Kunstszene sich immer schwerer tun, Entscheidungen zu treffen – und lieber Optionen nehmen.
Ist das nicht undankbar, dass so ein schönes Angebot nicht richtig wahrgenommen wird?
Es ist die Folge der Bedingungen, unter denen Künstler leben. Ein Künstler trifft Entscheidungen nicht mehr allein, sondern hat zum Beispiel eine Option für eine Ausstellung in einer Galerie. Am Ende entscheidet nicht der Künstler, was entsteht, sondern wer die erste Option bestätigt.
Hat Stuttgart sich während Ihrer Amtszeit stark verändert?
Es gab zwei wesentliche Veränderungen. Die eine war die Bar-Meile an der Theodor-Heuss-Straße, wodurch die Stadt plötzlich auch nachts attraktiv wurde. Das zweite ist die Entwicklung einer sehr aktiven Off-Szene, das hat die Arbeit der Kulturinstitutionen sehr bereichert.
Sie haben viele Generationen von Stipendiaten erlebt. Ermüdet das?
Nein, es sind so außerordentliche Menschen. Wenn man hört, was sie tun, wie sie an ihre Arbeit als Künstler glauben, das ist unglaublich.
Ende des Monats räumen Sie Ihren Schreibtisch. Was kommt dann?
Meine Frau und ich ziehen nach Berlin. Ich habe eine Honorarprofessur an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee und bin im Vorstand der Stiftung der Zeitschrift Merkur. Außerdem bin ich noch hier und da in anderen Gremien tätig – und habe acht Enkelkinder. Das ist natürlich auch eine schöne Aufgabe.