Er war der Gründungsdirektor der Akademie Schloss Solitude. Jetzt geht Jean-Baptiste Joly in den Ruhestand. Er ist überzeugt, dass er ein offenes Haus hinterlässt.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Stuttgart - Er hat die Akademie Schloss Solitude aufgebaut und 29 Jahre lang geleitet. Nun sagt Jean-Baptiste Adieu und verabschiedet sich in den Ruhestand. Stuttgart, die Kunstszene, aber auch die Stipendiaten haben sich während seiner Amtszeit gewaltig verändert – vor allem haben sie immer weniger Zeit.

 
Herr Joly, Sie haben immer wieder Neues an der Akademie Schloss Solitude angeschoben. Kann es Ihre Nachfolgerin Elke aus dem Moore also gemütlich angehen lassen?
Nein, das Haus und das Programm laufen wie ein rasender Zug. Man muss erst mal in diesen rasenden Zug einsteigen und schauen, in welche Richtung es geht. Man muss sich Gedanken machen über die nächste Bewerbungsrunde und ob man bei dem Auswahlprinzip bleibt. Man muss sich um die neuen Stipendiaten kümmern, die immer Ideen haben und an die Tür klopfen. Das ist schon sportlich.
Die Stipendiaten können sich hier in Ruhe entwickeln. Da kommt man nicht unmittelbar auf das Bild des rasenden Zugs.
Aber damit es so ist für die Stipendiaten, müssen wir uns ständig sputen, damit wir bereit sind, auf Ideen und Projekten kurzfristig zu reagieren. Wir müssen uns permanent anstrengen, damit die Künstler nach ihrem Rhythmus hier leben können.
Was wollte die Politik seinerzeit mit der Gründung der Akademie?
Der Wunsch war, das Schloss, das renoviert werden musste, mit Inhalt zu füllen. Man hat lange nach einer Nutzung gesucht. Dann kam man auf die Idee einer Künstlerresidenz als Instrument einer internationalen Kulturpolitik. Lothar Späth wollte mehr Kreativität in der Gesellschaft und ein Max-Plank-Institut für junge Künstler.
Inzwischen sind die Erwartungen an Kultur andere. Wie ernst haben Sie diese gesellschaftlichen Trends genommen?
Die Trends, die wir wahrgenommen haben, kamen zu allererst von den Künstlern. Mitte der neunziger Jahre zeichnete sich ab, dass die Künstler außerhalb der Kulturinstitutionen tätig sein wollen und eine andere Form der Begegnung mit der Öffentlichkeit suchen. Der zweite Trend war das Thema einer globalisierten Welt und einer neuen Form von politischem Engagement. Anfang 2000 waren zum Beispiel die Kontakte zu Attac Stuttgart sehr eng.
Man hat mitunter den Eindruck, dass die Solitude entrückt ist und die Veranstaltungen sich nicht an ein breites Publikum richten.
Das ist Ihre Sicht, die Sicht des Feuilletons einer mittelgroßen deutschen Stadt. Wir arbeiten eng zusammen mit einer Grundschule in Stuttgart-Hausen und haben dort viele Projekte gemacht. Wir sind auch durch Kooperationen mit anderen Institutionen in Stuttgart permanent präsent.
Sie haben aber auch sehr namhafte Juroren und es wäre für die Stadt eine Bereicherung, sie auch kennenzulernen.
Die Juroren haben eine schwierige Aufgabe, sie kriegen dafür sehr wenig Geld –ich fände es respektlos, von Ihnen auch noch so etwas zu erwarten. Aber immer, wenn eine neue Generation von Stipendiaten anreist, organisieren wir ein Symposium, zu dem wir alle Juroren und Stipendiaten einladen. Ein solches Stipendium findet auch jetzt wieder statt und ist öffentlich.