Bei Sammlern sind seine knalligen Bilder und Skulpturen heiß begehrt. Jetzt zeigen Schirn-Halle und Liebighaus in Frankfurt eine Doppelschau des US-Künstlers Jeff Koons.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Frankfurt am Main - Der Mann polarisiert. Glatt, smart, leer soll Jeff Koons sein. Ein „wohltemperierter Mann ohne Eigenschaften“, der niemandem wehtun will und auch mit 57 Jahren immer noch ausschaut wie ein verwöhnter College-Boy. Seine Kunst biete nichts als „perfekte Plattheit“, sagen manche, man hat sie sogar schon als „McKunst für den Medienheißhunger“ bezeichnet. Aber Jeff Koons kann die Kritik einerlei sein – seine „McKunst“ hat ihm schon viele Millionen beschert.

 

Der Mann polarisiert. Als die Staatsgalerie Stuttgart 1993 Jeff Koons eine große Ausstellung widmete, hagelte es Proteste, weil nicht nur seine in Edelstahl gegossenen Gummitierchen ausgestellt wurden, sondern auch Hardcore-Pornos. Auf riesigen Formaten sah man Jeff Koons beim Sex mit seiner damaligen Frau Ilona Staller alias Cicciolina. Der Skandal war perfekt – und der Besucheransturm garantiert.

In den vergangenen Jahren ist es ruhig geworden um Jeff Koons, der nun gleich mehrfach auf die Bildfläche zurückkehrt. Neben einer Werkauswahl in der Fondation Beyeler in Basel wird Koons in Frankfurt mit einer umfassenden Doppelausstellung präsentiert. Die Schirn-Kunsthalle und das Liebighaus zeigen den vielseitigen Künstler, der Maler und Bildhauer ist, Kitschproduzent und Konzeptkünstler, der sich in der Kunstgeschichte ebenso bedient wie in der Konsumwelt, der Comichelden und Maiskörner, Suppenkellen und Pin-ups aufgreift. Er benutze die Öffentlichkeit als „ready made“, sagt Koons.

Hier ist kein leiser Künstler am Werk

Marktschreierisch dienen sich in der Schirn nun die Gemälde von Koons an. Hier ist kein leiser und zögerlicher Künstler am Werk. Die Bilder haben enorme Ausmaße und nehmen den Betrachter sofort für sich ein. Da funkelt in „Bracelet“ (1995–1998) eine goldene Halskette verführerisch auf schillerndem Pink. Da strahlt ein süßes Sahnestückchen auf kunstvoll gefaltetem Stanniolpapier. Das ist perfekter, brillanter Oberflächenreiz.

Koons arbeitet in Serien, die nicht chronologisch gehängt, sondern bunt gemixt wurden. Nur die kleine Auswahl aus der Serie „Made in Heaven“, den Pornos mit Cicciolina, wurde in ein abgetrenntes Kabinett verbannt. Koons wollte sich mit der Darstellung von „Ilona’s Asshole“ oder „Jeff in the Position of Adam“ von seinem Bubiimage lösen. Heute markieren diese Provokationen nur noch eine beiläufige Etappe einer langen Künstlerkarriere.

Der Streifzug durch mehr als zwanzig Jahre belegt eindrucksvoll, dass Koons sich regelmäßig neu ausrichtet und konsequent weiterentwickelt, auch wenn er dabei immer wieder auf Strategien und Ästhetik der Werbung zurückgreift und auf die Wirkung von sexuellen Schlüsselreizen setzt. Seit Ende der neunziger Jahre werden die Bilder komplexer. Verschiedene Bildebenen, Motive und Perspektiven werden raffiniert verzahnt, Vorder- und Hintergrund verschmelzen, und die klassischen Kompositionsgesetze und Hierarchien sind aufgehoben. Spitzenwäsche und Lebensmittel tauchen gleichwertig nebeneinander auf, Bohnen und Palmen, Meer und Perücken aus geschmolzenem Käse. „Für mich ist der Aschenbecher gleichwertig mit einem Michelangelo oder einem Leonardo“, sagt Koons. Auf den jüngsten Bildern werden Fotografien in Punktraster übersetzt – und nur im Fernblick lassen sich die Vorlagen erkennen, ein Wasserfall oder eine Liegende. Das ist spannende Malerei um ihrer selbst willen. Koons Bilder haben keine inhaltliche Dimension, sie formulieren keine explizite Kritik, sie spiegeln aber sehr wohl den Status quo der Konsumgesellschaft.

Den Pinsel nimmt er nie in die Hand

Was die Ausstellung leider nicht verrät: Jeff Koons ist kein Maler. Er nimmt nie einen Pinsel in die Hand, er lässt malen. Mehr als hundert Mitarbeiter sind in seiner Kunstfabrik tätig. Das ist keineswegs ehrenrührig, aber statt distanzlos den Mythos Koons zu zelebrieren, hätte die Ausstellung die Produktionsbedingungen als Teil des künstlerischen Konzepts transparent machen sollen. Wie sagte es einmal Jean-Christophe Ammann, als er noch das Frankfurter Museum für Moderne Kunst leitete? Die Strategie von Jeff Koons sei „vielleicht interessanter als die Werke“.

Seine Skulpturen lässt Koons wiederum von Porzellanfachbetrieben und Herrgottschnitzern fertigen. Fünfzig Physiker haben mitgeholfen, dass Basketbälle in Aquarien schweben. Einer dieser Glaskästen steht nun im Liebighaus neben einer thronenden Muttergottes. Das Museum am Museumsufer – das leider schlecht von der Schirn aus zu erreichen ist – vervollständigt die Werkschau. Die in Edelstahl gegossenen Schwimmbadtierchen, die holzgeschnitzten Pudel und Akte aus Muranoglas wurden in die Sammlung integriert – und damit in den Kontext der ganz großen Kunstgeschichte gestellt. Kitschige Cherubs in Poesiealbumästhetik sind nun gleichauf mit den Engeln von Franz Ignaz Günther (um 1770). Ein Michael Jackson aus Porzellan erstrahlt gülden neben dem goldenen Sarg der ägyptischen Amunpriesterin aus dem 13. Jahrhundert vor Christus.

Diese Konfrontationen vermitteln, dass das Göttliche heute durch irdische Heroen ersetzt wurde. Sie machen aber auch verständlich, wie Koons den Kunstbegriff erweitert und mit welchen Traditionen er spielt. So ist seine „Balloon Venus“ eine Neuauflage der Venus von Willendorf: eine riesige Ballonskulptur aus lila schillerndem Edelstahl. In seiner neuen Serie „Antiquity“ greift Koons gezielt auf antike Vorbilder zurück – wie bei seiner „Metallic Venus“, einer blaugrün schillernden Schönen, die sehr kess das Hemdchen hebt.

Jeff Koons sucht immer neue Wege, um die Fetische, Mythen und Helden der Gegenwart künstlerisch zu paraphrasieren. Er wolle den Betrachter ansprechen, stimulieren und erregen, sagt Koons – und eben weil seine Kunst so hochglänzend, edel und sexy wie ein Luxusprodukt wirkt, ist sie zum begehrten Objekt der Schönen und Reichen geworden. Aber Koons ist ein vielseitiger und beachtenswerter Künstler, auch wenn er gefallen will. Dass seine provokante Phase wohl endgültig vorbei ist, verrät der Katalog, in dem die Pornos mit Cicciolina an entscheidender Stelle beschnitten und entschärft wurden – auf Wunsch des Künstlers. Er wolle das Buch auch in anderen Ländern einsetzen und dort auf keinen Fall moralische Gefühle verletzen.