Der SWR-Sportreporter Jens Jörg Rieck ist vom Nachrichtenmagazin „Spiegel“ als Stasimitarbeiter enttarnt worden. Berufliche Konsequenzen muss der 51-Jährige allerdings nicht befürchten.

Stuttgart - Anders als beispielsweise der weitaus prominentere SWR-Kollege Tom Bartels ist der Sportreporter Jens Jörg Rieck (51) ein Mann ohne Gesicht. Millionen von Radiohörern und Fernsehzuschauern kennen zwar seine Stimme als Kommentator unzähliger Sportveranstaltungen, aber in die erste Reihe hat er es bisher nicht geschafft. Selbst die Online-Enzyklopädie Wikipedia notiert ihn nur unter „Ferner liefen“. Das könnte sich nun ändern, und sollte es beim SWR Pläne gegeben haben, Rieck mit höheren Aufgaben zu betrauen, dürften sie vorerst auf Eis gelegt sein: Der „Spiegel“ hat ihn als inoffiziellen Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) enttarnt.

 

Unmittelbare Konsequenzen muss der aus dem brandenburgischen Eberswalde stammende Sportreporter trotzdem nicht fürchten, wie der SWR „in der Angelegenheit Jens Jörg Rieck“ etwas umständlich mitteilt. Als der Sender erfahren hat, dass es in der Behörde für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes eine Akte gibt, die Rieck betrifft, habe man „mit Herrn Rieck über seine Biografie ausführlich gesprochen und seine Stellungnahme dazu eingeholt“. Dabei hätten sich „keinerlei Sachverhalte ergeben, die es nach knapp 25 Jahren auch nur im Ansatz rechtfertigen würden, disziplinarische oder arbeitsrechtliche Maßnahmen zu ergreifen“. Dafür gebe es schon deshalb keinen Anlass, weil dem SWR „keine neueren Erkenntnisse“ vorlägen, die es rechtfertigten, „von der vorgenannten juristischen Einordnung abzuweichen“. Die Fürsorgepflicht als Arbeitgeber gebiete es vielmehr, „Herrn Rieck vor unberechtigten Angriffen in Schutz zu nehmen“.

Die Entscheidung des SWR darf vermutlich auch als Aufforderung verstanden werden, die Vergangenheit ruhen zu lassen. Vor gut zwanzig Jahren sah das noch anders aus: Beim Mitteldeutschen Rundfunk (Leipzig) gab es zu Beginn des Jahrtausends eine regelrechte Enttarnungswelle, in deren Verlauf eine Vielzahl bekannter und beliebter Fernsehgesichter von einem Tag auf den anderen vom Bildschirm verschwanden. Beim mittlerweile im RBB aufgegangenen früheren Ostdeutschen Rundfunk Brandenburg (Potsdam) vertrat der Gründungsintendant Hansjürgen Rosenbauer dagegen eine versöhnliche Haltung: Wer sich zu seiner Stasivergangenheit bekannte, bekam eine zweite Chance. Viele Journalisten hofften, unentdeckt zu bleiben, und flogen schließlich doch auf. Rieck entging dieser Enttarnung, weil er schon früh in Richtung Westen umgezogen war.

Früh im Visier

Ob der Reporter bloß ein Mitläufer war oder aus Überzeugung handelte, lässt sich von außen nicht beurteilen. Der „Spiegel“ schreibt, das MfS habe ihn schon früh ins Visier genommen, zumal auch sein Vater, Abteilungsleiter des Journalistenverbands der DDR, als Stasi-IM geführt worden sei. Im Jahr 1986 sei es dann zu mehreren Treffen gekommen.

Rieck studierte damals an der Leipziger Karl-Marx-Universität und sollte Informationen über ausländische Kommilitonen liefern. Im Oktober habe er eine Verpflichtungserklärung unterzeichnet und den Decknamen „Jörg Woydt“ gewählt. Als Rieck nach dem Studium für Radio DDR arbeitete, sollte er laut Unterlagen der Stasibehörde nicht nur Kollegen, sondern auch die Fußball-Nationalspieler Thomas Doll und Andreas Thom bespitzeln. Dazu ist es dann offenbar durch den Mauerfall nicht mehr gekommen.

Da der SWR die IM-Tätigkeit offenbar als Jugendsünde betrachtet, wird der Sportreporter Rieck auch weiterhin für die beliebte Hörfunkkonferenz aus den Bundesligastadien im Südwesten berichten und für die ARD zu wichtigen Wintersportereignissen reisen. „Seine fachliche Qualifikation, sein persönliches Engagement und seine persönlich kollegiale Integrität“, heißt es in der Stellungnahme des Senders weiter, würden sowohl beim Heimatsender „wie auch in der ARD gleichermaßen geschätzt“. Aus Sicht seines Arbeitgebers gilt Rieck als „einer der besten Fußballreporter im Radio“.

Ausgezeichneter Reporter

Seit 1991 arbeitet er für den SWR. Rasch etablierte er sich als Hörfunkreporter, seine Spezialgebiete sind neben dem Fußball Boxen, Leichtathletik und Skilanglauf. 2002 ist er für seine Reportage des WM-Endspiels Brasilien gegen Deutschland mit dem Herbert-Zimmermann-Preis geehrt worden, 2008 zeichnete ihn das Präsidium des Deutschen Leichtathletik-Verbandes mit dem DLV-Medienpreis aus.