Seit 43 Jahren sorgt der Humorfabrikant Jerry Seinfeld für luftiges Entertainment. Nirgends aber wird die Inhaltsleere unterhaltsamer als bei seinen Autofahrten mit Kollegen auf Netflix.

Stuttgart - Seit dem ersten Flug des Raumschiffs Enterprise flackert ein seltsam zielloses Blinken über alle Kommandobrücken zeitgenössischer Science-Fiction-Filme. Ein unablässig laufendes Licht, das trotz seiner Nutzlosigkeit prima den Anschein futuristischer Rastlosigkeit suggeriert. Die Branche spottet sogar selbst: goes nowhere, means nothing. Bedeutet nichts, führt nirgendwo hin, ist aber immer da – das könnte auch gut ihn beschreiben: Jerry Seinfeld.

 

Großkotzige Oldtimer

Seit seiner sensationell inhaltsleeren und erfolgreichen Sitcom „Seinfeld“, mit der er die TV-Comedy zwischen 1989 und 1998 geprägt hat wie kein zweiter, sorgt der New Yorker Spaßfabrikant für Heiterkeit ohne Hintersinn. Nirgends allerdings war der Meister des geistvollen Überflusses je näher bei sich selbst als in den Selbstzwiegesprächen, die er seit Juli 2012 im Internet mit anderen führt.

„Comedians in Cars getting Coffee“ heißt die Webserie der Sony-Plattform Crackle, was Netflix Anfang vorigen Jahres mit „Comedians auf Kaffeefahrt“ nur unzureichend übersetzte, aber endlich deutsch untertitelt vorlegte. Seither werden Fans etwas leichter verständlich als im Original Zeugen einer Talkshow, die so wohl nur an Ost- und Westküste der USA denkbar ist. Vier Jahrzehnte nach seinem Stand-up-Debüt setzt sich der Endfünfziger ans Steuer vorwiegend großkotziger Oldtimer und unterhält sich mit Kollegen über, tja – worüber denn eigentlich?

Platzhirsche des Humors

Schon bei der Premiere beschränkte der Gastgeber sich die Mehrzahl der durchschnittlich 20 Minuten darauf, mit dem ebenso wunder- wie wandelbaren Jim Carrey zu diskutieren, wer von beiden denn nun großartiger sei. Und nachdem von Mel Brooks über Ellen DeGeneris bis hin zu Jerry Lewis nahezu alles auf dem Beifahrersitz Platz genommen hat, was Amerikaner vor laufenden Kameras je zum Lachen brachte, steigt zu Beginn der neuen Staffel kein Geringerer als Eddie Murphy in einen Porsche Carrera GT, um zunächst mal offen zu lassen, für wen hier auf doppelter Länge PR gemacht wird: für das elitäre PS-Paket made in Germany oder für zwei Spaßmacher aus Brooklyn, deren Bühnendebüt 43 Jahre zuvor in derselben Woche auf derselben Bühne stattfand.

Obwohl das jeweils angeblich zum Gast passende Automodell (der Carrera hat Ecken und Kanten wie jeder gute Comedian, meint Seinfeld) regelmäßig telegen durchs Bild gleitet als wär’s ein Zuffenhausener Imagefilm, zeigt sich rasch: Diese Dauerwerbesendung gilt letztlich doch den zwei Platzhirschen des Massenhumors, die sich zwischen Mahagoni-Schaltung und Hipster-Café anekdotenreich gegenseitig feiern.

Klingt nach viel Fremdschampotenzial? Das gibt es durchaus! Jerry und Eddie sind beim Beweihräucherungspingpong nur deshalb keine Prototypen profilneurotischer weißer alter Männer, weil einer von ihnen dafür zu dunkelhäutig ist.

Highway der Eitelkeiten

Umso mehr erstaunt jedoch die Bilanz dieses jazzumflorten Tête à Tête: Es ist wirklich sehenswert. Einfach, weil es wenig will außer stattzufinden. Weil es buchstäblich Zeitvertreib ist, Gaukler beim Gaukeln zuzusehen – nur eben nicht auf mittelalterlichem Marktplatz, sondern einem Highway der Eitelkeiten. Im Anschluss ans Comedy-Fossil Eddie Murphy betritt ihn sein jüngerer Epigone Seth Rogen, der mit Jerry Seinfeld immerhin mal kurz darüber räsoniert, warum alle Welt die Elternschaft so verherrlicht.

Ernster wird’s nicht im mächtigen Dodge Royal, Baujahr 1976, als Comedy – so legen es viele Rückblenden ins Leben der amerikanischen Humorelite nahe – noch etwas interessanter war. Interessant genug jedenfalls, um sich mit Stars wie Ricky Gervais, Jamie Foxx und Matthew Broderick darüber bei Kohlenmonoxid und Kaffee zu unterhalten.

Verfügbarkeit: beim Streamingdienst Netflix, bislang 83 Folgen