Axel Steen ist kein Vorzeigepolizist. Nicht nur seine Vorgesetzten und seine Ex-Frau haben Probleme mit dem übellaunigen Kopenhagener Vizekriminalkommissar. Den Lesern von Jesper Steins „Unruhe“ ergeht es da schon deutlich besser . . .

Lokales: Hans Jörg Wangner (hwe)

Stuttgart - Als Axel Steen eines Nachts aus feuchten Träumen geweckt wird, sieht er sich in den übellaunigen, sturen, hypochondrischen Polizeibeamten zurückverwandelt, der er vorher schon war. Der Traum drehte sich um seine Exfrau, mit der er eine fünfjährige Tochter hat. Die Realität betrifft einen Toten, den seine Kollegen auf dem Nørrebro-Friedhof gefunden haben, auf dem auch Niels Bohr, Søren Kierkegaard und H.C. Andersen liegen. Der Fundort liegt in der Nähe eines Jugendzentrums, das abgerissen werden soll. Und um dessen Existenz sich Polizei und Autonome wüste Straßenschlachten liefern.

 

Willkommen im Kopenhagener März, dem „schlimmsten Monat des Jahres, kackbraun und grau“, willkommen in Jesper Steins „Unruhe“, willkommen bei Vizekriminalkommissar Axel Steen, einem „arroganten, schlecht gelaunten Scheißkerl“, Alptraum seiner Vorgesetzten – aber auch der örtlichen Verbrecherszene.

Die Sache stinkt von Anfang an gewaltig. Wer ist der Tote? Ein Autonomer? Vielleicht ein Krawalltourist aus Kreuzberg? Aber was soll der albanische Adler auf seiner Brust? Welche Rolle spielt der Geheimdienst PET in der Sache? Was hat die linke Presse mit dem Fall zu tun? Warum muss ausgerechnet der neue Lebensgefährte von Steens Ex Karrierejurist beim PET sein? Was haben diverse Querverbindungen in die organisierte Kriminalität zu bedeuten? Und wird Steen von der Mutter seines Kindes gehäutet, weil er die Kleine in die Pathologie mitnimmt, wo sie in einem unbewachten Augenblick Schubladen aufzieht und die darin liegenden Menschen fragt, warum sie schliefen und ob ihnen nicht kalt sei?

Fragen über Fragen, die Jesper Stein zu einem riesigen, multikulturellen Mosaik zusammenfügt. Weit holt er aus, ehe sich am Ende alles zu einem großen Panorama fügt. Kein Zweifel: so ausladend das Buch auch angelegt ist, es hält die fiebrige Unruhe, die sein Titel verspricht und die einen gelungenen Thriller ausmacht.

Und: es weckt Sympathien für diesen kiffenden, hypochondrischen, grantigen Vizekriminalkommissar, über den man gerne mehr lesen würde.

Jesper Stein: „Unruhe“. Aus dem Dänischen von Patrick Zöller. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2013. 476 Seiten, 12,99 Euro. Auch als E-Book, 10,99 Euro.