Diese öffentlichen Debatten, die nicht nur von den Stammtischen der Republik, sondern auch von anderen Fußballtrainern befeuert wurden, illustrierten vor allem eines: die große Skepsis gegenüber dem Bundestrainer. Fast grenzenlos schienen bis 2012 das Vertrauen in Löw und der Glaube an die ewige Leistungssteigerung, die zwangsläufig irgendwann zum Titel führen müsse. Es wurde fast übergangslos abgelöst von einem tiefen Misstrauen. Der Tenor lautete: allein Löw sei schuld, wenn Deutschland mit dieser goldenen Generation schon wieder nicht den Titel hole. Dann müsse er endlich weg, der schöne Jogi, der kein Trainer sei, mit dem man auch die wichtigen Spiele gewinnen könne.

 

Löw nahm all die Kritik und die Skepsis der vergangenen zwei Jahre nicht nur zur Kenntnis, er trug auch tiefe Wunden davon. Er hat sich nie öffentlich beschwert und auf den Tisch geschlagen, für so etwas ist er nicht der Typ. Der Schwarzwälder hat auf seine Weise reagiert: Er nahm sich aus der Öffentlichkeit zurück, legte sich einen Panzer zu und entschloss sich, niemandem mehr gefallen zu wollen. Es ist die vielleicht höchste Form der Unabhängigkeit.

Keiner wollte mehr seine Ideen und Pläne verstehen

Einen der wenigen Einblicke in sein Innenleben gestattete Joachim Löw kurz vor dem Beginn der WM-Vorbereitung, als er der Wochenzeitung „Die Zeit“ ein Interview gab. Darin sagt er, er habe in den Anfangsjahren „auch mal überlegt, in der Öffentlichkeit eine bestimmte Rolle einzunehmen, die man von mir erwartet, mich auch der öffentlichen Meinung anzupassen“. Aus „Selbstschutz“ habe er dies getan – und rasch erkannt, dass das „Blödsinn“ sei: „Ich kann nur überzeugen, wenn ich nach meiner Intuition handle und meinem Gefühl folge.“

Genau darin bestand sein Selbstschutz während der Weltmeisterschaft: nur noch sich selbst zu vertrauen und nicht mehr von sich preiszugeben, als unbedingt nötig ist. Zu oft ist er enttäuscht worden, nicht zuletzt von all den Journalisten, die ihn jahrelang gefeiert und dann plötzlich massiv infrage gestellt hatten. In Brasilien hörte Joachim Löw daher auf, mühevoll seine Ideen und Pläne darzulegen. Er hatte ganz offensichtlich das Gefühl, dass sie niemand richtig verstand – oder, noch viel schlimmer: dass sie keiner mehr hören wollte.

Heftig waren die Debatten schon vor der Abreise, als Löw in Frankfurt seinen WM-Kader bekanntgab. Sami Khedira stand trotz seines gerade erst auskurierten Kreuzbandrisses darin, nicht aber Mario Gomez und auch sonst kein anderer Angreifer außer dem 36 Jahre alten Miroslav Klose. Mit nur einem einzigen gelernten Stürmer zu einer Weltmeisterschaft? Löw sei übergeschnappt, so hieß es, er werde schon sehen, was er davon hat. Noch heftiger, fast schon hysterisch wurden die Diskussionen, als der Bundestrainer in den ersten vier WM-Spielen an seiner Idee festhielt, den Kapitän Philipp Lahm nicht mehr wie bei vergangenen Turnieren in der Außenverteidigung aufzustellen, sondern im zentralen Mittelfeld. Löw sei an Sturheit nun endgültig nicht mehr zu überbieten, so hieß es. Er gefährde damit auf fahrlässige Weise den Erfolg bei der Weltmeisterschaft.

Löw reagiert auf Kritik mit Rückzug

Diese öffentlichen Debatten, die nicht nur von den Stammtischen der Republik, sondern auch von anderen Fußballtrainern befeuert wurden, illustrierten vor allem eines: die große Skepsis gegenüber dem Bundestrainer. Fast grenzenlos schienen bis 2012 das Vertrauen in Löw und der Glaube an die ewige Leistungssteigerung, die zwangsläufig irgendwann zum Titel führen müsse. Es wurde fast übergangslos abgelöst von einem tiefen Misstrauen. Der Tenor lautete: allein Löw sei schuld, wenn Deutschland mit dieser goldenen Generation schon wieder nicht den Titel hole. Dann müsse er endlich weg, der schöne Jogi, der kein Trainer sei, mit dem man auch die wichtigen Spiele gewinnen könne.

Löw nahm all die Kritik und die Skepsis der vergangenen zwei Jahre nicht nur zur Kenntnis, er trug auch tiefe Wunden davon. Er hat sich nie öffentlich beschwert und auf den Tisch geschlagen, für so etwas ist er nicht der Typ. Der Schwarzwälder hat auf seine Weise reagiert: Er nahm sich aus der Öffentlichkeit zurück, legte sich einen Panzer zu und entschloss sich, niemandem mehr gefallen zu wollen. Es ist die vielleicht höchste Form der Unabhängigkeit.

Keiner wollte mehr seine Ideen und Pläne verstehen

Einen der wenigen Einblicke in sein Innenleben gestattete Joachim Löw kurz vor dem Beginn der WM-Vorbereitung, als er der Wochenzeitung „Die Zeit“ ein Interview gab. Darin sagt er, er habe in den Anfangsjahren „auch mal überlegt, in der Öffentlichkeit eine bestimmte Rolle einzunehmen, die man von mir erwartet, mich auch der öffentlichen Meinung anzupassen“. Aus „Selbstschutz“ habe er dies getan – und rasch erkannt, dass das „Blödsinn“ sei: „Ich kann nur überzeugen, wenn ich nach meiner Intuition handle und meinem Gefühl folge.“

Genau darin bestand sein Selbstschutz während der Weltmeisterschaft: nur noch sich selbst zu vertrauen und nicht mehr von sich preiszugeben, als unbedingt nötig ist. Zu oft ist er enttäuscht worden, nicht zuletzt von all den Journalisten, die ihn jahrelang gefeiert und dann plötzlich massiv infrage gestellt hatten. In Brasilien hörte Joachim Löw daher auf, mühevoll seine Ideen und Pläne darzulegen. Er hatte ganz offensichtlich das Gefühl, dass sie niemand richtig verstand – oder, noch viel schlimmer: dass sie keiner mehr hören wollte.

Der Bundestrainer hat während der fünf Wochen praktisch keine Interviews gegeben. Ganze zwei Mal saß er in dem weißen Zelt neben dem Campo Bahia, in dem der deutsche Journalistentross jeden Tag auf Neuigkeiten von der Nationalmannschaft wartete. Seine Vorgänger im Amt des Bundestrainers erschienen bei großen Turnieren mehrmals in der Woche zu diesen Pressekonferenzen. Löw hingegen schickte meist seinen Assistenten Hansi Flick vor, der sehr erfolgreich die Rolle übernahm, Belanglosigkeiten unters Volk zu bringen.

Bundestrainer lässt eher Ergebnisfußball spielen

Im Viertelfinale gegen Frankreich spielte Philipp Lahm erstmals von Beginn an wieder hinten rechts. Endlich hat es Jochim Löw kapiert, riefen nach dem 1:0-Sieg die Kritiker, die dem Bundestrainer möglicherweise einen Zickzackkurs vorgeworfen hätten, wäre das Spiel verloren gegangen.

Man kann nur darüber spekulieren, was Löw dazu bewogen hat, seinen Kurs zu ändern. War die Rückversetzung Lahms womöglich ein Teil seines großen Planes, den der Bundestrainer kompromisslos umgesetzt hat? Hatte er darauf gewartet, dass die angeschlagenen Mittelfeldspieler Bastian Schweinsteiger und Sami Khedira in Form kommen, so wie es Löw lange vor dem Turnier angekündigt hatte? Als es schließlich so weit war, stellte er seine Mannschaft um. Vor allem dem brillanten Mittelfeld war es dann zu verdanken, dass die deutsche Elf beim 7:1 gegen Brasilien ein Spiel für die Ewigkeit lieferte.

Pläne des Bundestrainers gehen auf

Viele Pläne des Bundestrainers sind aufgegangen: Er hat die Spielweise an die brasilianischen Gegebenheiten angepasst und bis zum Halbfinale statt Hurra- eher Ergebnisfußball spielen lassen. Er stellte in den ersten Spielen vier große und kräftige Burschen in die Innenverteidigung, die entscheidend dafür verantwortlich waren, dass Deutschland plötzlich wieder über Tore nach Standardsituationen jubeln durfte. Und er schonte zu Beginn die verbliebenen Kräfte des Routiniers Miroslav Klose, weil Löw ahnte, dass sie in der Endphase des Turniers wichtiger sein würden als in der Vorrunde.

Es hätte schiefgehen können. Es fehlte nicht viel, und Klose hätte sehr ausgeruht den Sommerurlaub antreten müssen. Das Achtelfinale gegen Algerien gewannen sie nur knapp. Joachim Löw, der dem deutschen Fußball in den vergangenen acht Jahren zu weltweitem Ansehen verholfen hat, hätte bei einer Niederlage gehen müssen. Die Leute hätten ihn zum Teufel gewünscht. Die Abschiedskommentare waren bereits geschrieben, schon vor dem letzten Gruppenspiel gegen die USA, vor dem Algerien-Spiel, auch vor dem Viertelfinale gegen Frankreich. Sie sind nie erschienen, denn es ging nicht schief. Der Bundestrainer hat mit allem recht behalten.

Kein Anflug von Überschwang

Wenn es überhaupt so etwas wie Genugtuung gab, es allen Zweiflern gezeigt zu haben, dann hat Joachim Löw sich davon nichts anmerken lassen. Vollkommen ruhig, gefasst und distanziert saß er nach den Spielen auf dem Podium, als das Fifa-Protokoll Gespräche mit der Presse unumgänglich machte. Nicht den geringsten Anflug von Überschwang erlaubte sich der Bundestrainer – und zeigte nur einmal so etwas wie Emotionen: als er nach dem 7:1 gegen Brasilien sein Mitgefühl mit dem WM-Gastgeber zum Ausdruck brachte.

Seit diesem historischen Spiel in Belo Horizonte lag es alleine in seiner Hand, ob er nach der WM Bundestrainer bleiben wird. Jetzt ist er wieder der Wunder-Jogi, gefeiert vom ganzen Land. Auf einer Stufe mit den Weltmeister-Trainern Sepp Herberger, Helmut Schön und Franz Beckenbauer. Ein herausragender Platz in den Geschichtsbüchern ist ihm sicher.