Der Ludwigsburger Roland Eitel gilt als einflussreicher Strippenzieher im deutschen Fußball. Er macht Öffentlichkeitsarbeit für Joachim Löw, Mesut Özil und Jürgen Klinsmann. Im Interview spricht er über seine Stars, seine Rolle und die Nationalmannschaft.

Nachrichtenzentrale: Tim Höhn (tim)
Ludwigsburg – Roland Eitel betreut mit seiner Agentur in Ludwigsburg die Medienarbeit von Joachim Löw, Mesut Özil und Jürgen Klinsmann – und gilt als einflussreicher Strippenzieher im Fußball-Geschäft. Im Interview spricht Eitel über seine Rolle, seine Stars und das manchmal brutale Medienbusiness.
Herr Eitel, wie wird man im beschaulichen Ludwigsburg zu einem Strippenzieher des deutschen Fußballs?
Ich sehe mich nicht als Strippenzieher, sondern bin einfach ein Dienstleister. Ich halte Menschen den Rücken frei, so dass sie sich auf ihre wichtigen Aufgaben konzentrieren können. Diese Leute sind so gut, sie brauchen keine Strippenzieher.

Löw wohnt bei Freiburg, Klinsmann in den USA, Özil in Madrid – und Ihr Büro liegt in einem Ludwigsburger Gewerbegebiet. Wie betreuen Sie von dort aus Ihre Weltstars?
Die Kommunikation läuft ja heute anders. Natürlich gibt es ganztägige Treffen in Freiburg vor einer Europameisterschaft, um die Strategie festzulegen. Natürlich gibt es auch Treffen in Madrid. Aber das Tagesgeschäft funktioniert über Mail und Handy.

Klinsmann war Ihr erster Klient, als Sie sich 1990 als Berater selbstständig machten.
Er brauchte keinen Manager und wollte niemanden, der ihn fremdbestimmt. Er wollte im Vorfeld der Weltmeisterschaft nur jemanden, der ihm die Pressearbeit abnimmt. Und so habe ich eine Marktlücke entdeckt.

Berater gibt es viele.
Das stimmt. Berater, die sich vor allem um Transfers kümmern. Und es gibt auch gute Presse- und Marketingabteilungen in den Vereinen und Verbänden. Aber es gab damals kaum Berater, die direkt bei den Spielern und Trainern angesiedelt sind und sich speziell um die Medien und das Image der Fußballer kümmern, um die Public Relation. Vor 20 Jahren war das noch kein großes Thema, aber heute ist Fußball ein globales Business. Mesut Özil hat auf Facebook 5,4 Millionen Freunde – Tendenz täglich steigend. So eine Seite muss intensiv gepflegt werden. Hier in Danzig haben wir jetzt ein Interview für Mesut für ein chinesisches Onlineportal gemacht. Dieses Portal hat täglich 700 Millionen Seitenaufrufe.

Özil wurde unlängst im Internet rassistisch beleidigt und hat sich entschieden, Strafanzeige gegen Unbekannt zu stellen. Waren Sie an der Entscheidungsfindung beteiligt?
Ja. Aber die Entscheidung fiel nicht nur wegen Mesut Özil. Jetzt war es Mesut, das nächste Mal ist es vielleicht Boateng, Khedira, Gündogan und am Ende vielleicht Podolski oder Klose. Man sollte jede Form von Rassismus unterbinden und Zeichen setzen. Das wurde hiermit getan.

Raten Sie Özil, einem Spieler mit türkischen Wurzeln, die deutsche Hymne mitzusingen, weil das gut ankommt?
Nein. Man kann die Identifikation mit dem Heimatland nicht am Singen der Hymne zwei Minuten vor dem Spiel festmachen. Mesut Özil und die anderen Spieler haben so viel für Deutschland geleistet – sowohl auf als auch neben dem Spielfeld. Mesut Özil hat mehr für die Integration junger Menschen getan als andere, die vielleicht einmal pro Woche die Hymne singen.

Sie sind nah dran an der Nationalmannschaft. Kriegen Spieler und Trainer mit, was alles geschrieben und gesendet wird?
Nein, kaum. Nur wenn sie persönlich betroffen sind. Dann melden sich natürlich die Berater, Freunde, Familienangehörige. Aber im Tagesablauf geht es bei einem solchen Turnier ums Training, um die Spielvorbereitung, Spielnachbearbeitung, alles Mögliche. Man kann sich nicht intensiv mit den Medien beschäftigen. Trotzdem müssen Spieler und Trainer Interviews geben und Fehler vermeiden. Und dann ist es hilfreich, wenn sie darauf vorbereitet sind.

Was genau ist Ihr Job?
Dazu vielleicht ein Beispiel: Joachim Löw hat von der Debatte um Mehmet Scholl und Mario Gomez zunächst sicherlich gar nichts mitbekommen. Er steht in Lemberg im Stadion. Er muss aber darauf hingewiesen werden, denn er wird ja relativ schnell dazu befragt. Oder die Stimmung in der Heimat – die kann man aus 1200 Kilometer Entfernung kaum spüren. Also ist es ein Vorteil, wenn es ihm jemand mitteilt.

Sie sagen Löw, was er antworten soll?
Nein, das wäre zu einfach. Es ist nicht so, dass Löw Schwarz denkt und Weiß sagt, weil ich das geraten habe. Ich unterstütze ihn. Er hat seine Innensicht der Dinge – von mir bekommt er die Außensicht. Ich halte ihm und Mesut Özil den Rücken frei.

Wie läuft das ab?
Es gibt täglichen regelmäßigen Kontakt, auch mit der Pressestelle des DFB, meist über E-Mails oder SMS. Ich gehöre ja nicht zum offiziellen DFB-Tross, wohne aber nur eine Viertelstunde entfernt vom Mannschaftshotel.

Wenn Mehmet Scholl Ihr Klient wäre: hätten Sie ihn vor den kritischen Äußerungen über Mario Gomez gewarnt?
Das war eine Livesituation im Fernsehen, eine spontane Äußerung. Man kann nicht jeden Satz planen.

Danach sprach ganz Deutschland über den vermeintlich faulen Stürmer.
Ja, das geht schnell. Eine unglückliche Äußerung hat heutzutage fatale Folgen.

Das Image von Joachim Löw könnte kaum besser sein. Ein Selbstläufer?
Er hat den großen Vorteil, dass er sich nicht verstellen muss, um nett zu sein. Aber so ein Image ist wahrlich kein Selbstläufer, es muss immer wieder bestätigt werden. Meine Aufgabe ist erfüllt, wenn alle sagen, dass Joachim Löw ein toller Typ und ein sehr guter Trainer ist. Man muss bei ihm allerdings kein Image aufbauen, sondern nur dafür sorgen, dass die Tatsachen auch draußen ankommen. Wohl wissend, dass das natürlich nicht allein an mir liegt. Aber alles, was er macht, ist gut vorbereitet. Die Spiele und auch die öffentlichen Auftritte.

Löws Assistent Hansi Flick hat zu Beginn der EM mit der Aussage für Irritationen gesorgt, das Team müsse Stahlhelme aufsetzen. Könnte Löw das auch passieren?
Man kann in diesem Metier nichts ausschließen – und sollte von Prominenten nichts Übermenschliches verlangen. Ein unbedarfter Satz geht schnell über die Lippen. Aber natürlich gehört es zu meinen Aufgaben, zu sensibilisieren. Etwa dahingehend, dass Deutsche in Polen – und eigentlich auch in anderen Ländern – keine kriegerischen Begriffe benutzen sollen.

Sind sich Fußballer ihrer Vorbildfunktion zu wenig bewusst?
Warum? Ich denke, dass diese Mannschaft der Vorbildfunktion sehr gut gerecht wird. Aber das Medieninteresse und die Anforderungen sind unglaublich gewachsen.

Gerade Özil wirkt in Interviews manchmal noch immer wie ein kleiner Junge.
Einspruch. Nicht wie ein kleiner Junge. Er hat seine Erfahrungen mit Medien gemacht, auch negative. Und er hat eine gewisse Scheu, aber das ist für einen Mann in dieser Position wahrlich keine schlechte Eigenschaft. Mesut Özil ist 23 Jahre jung und zurückhaltend. Der hat noch nie etwas Unrechtes in seinem Leben getan, außer vielleicht mal falsch geparkt. Man darf nicht zu viel erwarten.

Inwiefern?
Im Grunde wollen wir doch, dass ein Mesut Özil hinten den Ball erkämpft, nach vorne treibt und dann noch selbst ins Tor köpft. Und direkt nach dem Spiel soll er im Stile eines Pressesprechers über die politische Situation in der Ukraine reden und mit einem Statement zu Auschwitz auch noch die deutsche Vergangenheit bewältigen. Und wehe, er zeigt eine Schwäche . . .

Sind Sie zufrieden mit seinem Image?
Ich bin hundertprozentig zufrieden mit ihm. Das gilt aber für die gesamte Mannschaft. Deutschland wurde durch den Fußball nie zuvor besser im Ausland repräsentiert. Von Schweinsteiger über Hummels bis zu Gomez, von Löw bis Bierhoff – egal, wen ich nenne: das sind alles tadellose Typen. Ich erinnere mich an vergangene Turniere, bei denen Spieler nach Hause geschickt werden mussten, weil sie sich danebenbenommen hatten – etwa Stefan Effenberg oder Uli Stein. Die heutigen Spieler sind höflich und haben vor allem Respekt, und mir gefällt das. Diese Mannschaft hat Klasse, nicht nur fußballerisch.

Was war die schlimmste Krise, die Sie mit einem Fußballer oder Trainer durchstehen mussten?
Ich denke, das war im Frühjahr vor der WM 2006 mit Jürgen Klinsmann. Die Mannschaft hatte hoch gegen Italien verloren, und er war danach nach Hause in die USA geflogen, obwohl ein Trainer-Workshop in Düsseldorf stattfand. Danach gab es einen Aufschrei in Deutschland.

Was haben Sie ihm geraten?
Da kann man nicht mehr viel machen (lacht). Kopf runter, aussitzen.

Das Image von Klinsmann hat nach seiner eher unglücklichen Episode als Bayern-Trainer nachhaltig gelitten.
Widerspruch. Das Image von Jürgen Klinsmann ist nicht von einem sportlichen Misserfolg abhängig. Sein Platz in der Geschichte des deutschen Fußballs steht: Er hat dazu beigetragen, dass Fußball-Deutschland 2006 den größtmöglichen Wandel vollzogen hat. Dort liegen auch die Wurzeln des heutigen Erfolgs. Dass die Leute 2006 ihre Deutschlandfahnen ausgepackt haben, ist sein Verdienst. Er hat als Kapitän der deutschen Mannschaft in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Israel einen Kranz niedergelegt und Nelson Mandela in Südafrika getroffen, ist hoch geachtet bei der Bundeskanzlerin, beim DFB-Präsidenten oder dem Mercedes-Chef. Es gibt im Fußball eine alte Generation und eine neue, und es mag sein, dass er bei manchen aus der alten Generation ein schlechtes Image hat. Das ist wirklich verkraftbar.
Das Gespräch führte Tim Höhn