Bundesbank-Chef Jens Weidmann hat mit dem EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen in der Finanzkrise die Banken gerettet. Ein Porträt der beiden Notenbanker.

Berlin - Zuspitzungen sind nicht ihre Sache. Deshalb dürften Jens Weidmann und Jörg Asmussen, die am Dienstag vor dem Verfassungsgericht den Kurs der Eurorettung angreifen und verteidigen, erstaunt sein, wie ihr Auftritt im Voraus bewertet wird: Von einem Showdown in Karlsruhe sprechen einige Medien, andere erwarten sich zumindest ein Rededuell.

 

Der jugendlich wirkende Bundesbankchef Weidmann (45) und der etwas scheue Asmussen (46), Direktoriumsmitglied der Europäischen Zentralbank (EZB), kennen die Regeln des politischen Betriebs so gut, dass sie das Interesse an ihrer Person nicht überraschen dürfte. Gemeinsam ist den Weggefährten, die sich aus Bonner Studienzeiten kennen, ihre Unaufgeregtheit. Sie wissen, worauf es tatsächlich ankommt. Enorme Fachkenntnis und starke Nerven zählen zu ihren Eigenschaften. Beide Volkswirte sind vor Gericht als Sachverständige geladen. Sie müssen mit guten Argumenten überzeugen.

Das dürfte ihnen nicht schwerfallen. Sowohl Asmussen als auch Weidmann haben ökonomische Zusammenhänge und Zahlen stets parat. Wenn der Bundesbank-Chef zu einer Sitzung erscheint, hält er oft seine schwarze Aktentasche in der Hand. Die wichtigen Veröffentlichungen und Statistiken der Zentralbanken und des Internationalen Währungsfonds studiert Weidmann akribisch. Auch Asmussen ist ein Zahlenmensch. Schon früh am Morgen verschafft er sich einen Überblick über die neuesten Indikatoren. Beide Ökonomen galten in ihrer Berliner Zeit als der Idealtypus des modernen, mehrsprachigen Spitzenbeamten. Personenkult ist ihnen fremd, sie sind freundlich und zurückhaltend.

Asmussen hat unter fünf Finanzministern gedient. Unter dem Sozialdemokraten Hans Eichel stieg er zum Büroleiter auf. Peer Steinbrück machte ihn zum Staatssekretär. Bewährt hat sich Asmussen in der Bankenkrise 2008: Nächtelang führte er im Oktober 2008 die Verhandlungen mit den Banken. In dieser Zeit arbeitete er eng mit Weidmann zusammen, der Wirtschaftsberater der Kanzlerin war. Früher waren beide ein eingespieltes Team.

Jetzt verfolgen sie unterschiedliche Interessen. Weidmann wird in der Öffentlichkeit als Kritiker der Eurorettungspolitik wahrgenommen. Das ist er aber nur zum Teil. Als Weidmann noch der Bundeskanzlerin diente, fädelte er die Rettungspakete für Griechenland ein. Jetzt spricht er sich dagegen aus, dass die EZB Staatsanleihen kauft. Der Ordnungspolitiker Weidmann gibt dabei durchaus Fragen auf. Im Dienste der Regierung hatte er seinerzeit kein Problem damit, über Rettungshilfen für den angeschlagenen Opel-Konzern zu verhandeln. Das Kanzleramt wollte den Autokonzern stützen, was am Widerstand der FDP scheiterte. Merkels Berater war auch an Koalitionsverhandlungen beteiligt und bereitete als Sherpa im Auftrag der Kanzlerin die Gipfel der 20 großen Industrie- und Schwellenländer vor.

Beide Notenbanker bringen somit eine große Portion Flexibilität und Pragmatismus mit. Asmussen war einst ein glühender Befürworter eines deregulierten Kapitalmarkts. Später trug er dazu bei, die Finanzmarktgesetze zu verschärfen. Bei Weidmann gab es ähnliche Volten. Diese Beweglichkeit ist in den Leitungsstäben der Regierung unentbehrlich. Von den Beratern wird verlangt, dass sie Lösungen finden, wenn sich die Politik neue Ziele setzt. Weidmann und Asmussen sind nicht festgefahren. Bei einigen Themen wie dem französischen Reformbedarf denken sie gleich. Ihre Rollen sind aber verschieden.

Für Weidmann bietet die Verhandlung des Verfassungsgerichts eine wichtige Bühne. Seit Monaten zieht der Bundesbankchef mit seiner Kritik an der EZB-Rettungspolitik durch die Lande. Der oberste Bundesbanker setzt zwar häufig ein Lächeln auf, dennoch sieht er sich in die Rolle des Außenseiters gedrängt. Vor einiger Zeit gab es sogar Hinweise, Weidmann denke an Rücktritt. Wenn der im Schwäbischen aufgewachsene Bundesbanker im Amt bleibt, liegt dies daran, dass er Schlimmeres verhindern will. Seine Bedenken führen immerhin dazu, dass sich EZB-Chef Mario Draghi rechtfertigen muss.

In der Bundesregierung hat sich Weidmann mit seiner Mäkelei an der EZB keine Freunde gemacht. In manchen Fragen liegen zwar der Finanzminister und Weidmann auf einer Linie. Beide sehen etwa die Niedrigzinspolitik mit Sorge. Dennoch steht Weidmann isoliert da. Bei gemeinsamen Pressekonferenzen mit Schäuble kam es vor, dass Weidmann nicht zu Wort kam.

In Berlin wird Weidmann vorgeworfen, dem Ansehen der EZB zu schaden. Asmussen und Weidmann sind im EZB-Rat Kollegen. Dies gerät bei den öffentlichen Scharmützeln leicht in Vergessenheit.

Frankfurt - Das Bundesverfassungsgericht betritt Neuland. Zwar haben sich die Karlsruher Richter schon in mehreren Verfahren mit der Eurorettung befasst, doch in der aktuellen Verhandlung steht erstmals die Rolle der Europäischen Zentralbank (EZB) im Vordergrund.

Anlass ist die Ankündigung der Notenbank vom vergangenen Sommer, die Euro-Krisenländer notfalls durch den Kauf von Staatsanleihen in unbegrenztem Umfang zu stützen. Grundsätzlich ist die Idee nicht neu: Die Notenbank hatte schon von Mai 2010 bis Frühjahr 2012 für rund 210 Milliarden Euro Staatsanleihen aus Griechenland, Irland, Portugal, Italien und Spanien gekauft. Im September wurde dieses Kaufprogramm mit dem Kürzel SMP (Securities Market Programme, also Marktprogramm für Wertpapiere) aber offiziell eingestellt. An seine Stelle trat die Ankündigung unbegrenzter Käufe – die aber mit Auflagen verknüpft sind. Weil die Krisenstaaten diese Auflagen scheuen, ist das neue Kaufprogramm unter dem Titel Outright Monetary Transactions (Uneingeschränkte Geldtransaktionen), kurz OMT, noch nie zum Einsatz gekommen. Die EZB stellte am Wochenende klar, dass sie de facto maximal 524 Milliarden Euro für Staatsanleihen ausgeben würde. Denn das Kaufprogramm beschränkt sich auf Staatsanleihen mit Laufzeiten zwischen ein und drei Jahren.

Notenbankkreise bestätigten einen Bericht der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“, demzufolge sich das Volumen an ein- bis dreijährigen Staatsanleihen aus Italien, Spanien, Irland und Portugal aktuell auf 524 Milliarden Euro beläuft. Für diese vier Länder käme gegenwärtig eine Unterstützung durch Anleihekäufe infrage, um ihren Zugang zum Finanzmarkt zu erhalten oder – im Falle Irlands und Portugals – die Rückkehr zu ermöglichen. Griechenland wird voraussichtlich noch über Jahre vom Finanzmarkt abgeschnitten bleiben und ist deshalb vorerst kein Kandidat für Anleihekäufe.

Sollten weitere Staaten in Not geraten und unter den Euro-Rettungsschirm schlüpfen, stünde das Programm aber prinzipiell auch ihnen offen. Obendrein bergen schon die in den vergangenen Jahren erworbenen Staatsanleihen Milliardenrisiken. Schließlich handelt es sich um Schuldtitel. Sollte eines der Krisenländer diese Verbindlichkeiten eines Tages nicht mehr bedienen können, müsste die Zentralbank sie abschreiben. Im schlimmsten Fall könnten dadurch Verluste entstehen. Diese müssten durch die Anteilseigner der EZB, also die nationalen Notenbanken, ausgeglichen werden. Auf die Bundesbank entfiele dabei mit einem Anteil von 27 Prozent der größte Batzen. Kosten, die letztlich der deutsche Steuerzahler tragen müsste.

Deshalb protestierte die Bundesbank scharf gegen die Ankündigung „unbegrenzter“ Anleihekäufe. Die EZB verweist dagegen darauf, dass allein die Aussicht auf eine derartige Intervention die Märkte beruhigt hat. Die Aktienkurse stiegen, gleichzeitig sanken die Zinsen auf Staatsanleihen hochverschuldeter Länder. Italien und Spanien kommen heute deutlich günstiger an frisches Geld als noch vor einem Jahr. Dadurch verringerte sich die Gefahr, dass die dritt- oder viertgrößte Volkswirtschaft der Eurozone unter den Rettungsschirm schlüpfen und ihn dadurch womöglich sprengen. Insofern hat die EZB die Krise mit ihrer Ankündigung tatsächlich entschärft. Selbst Notenbankpräsident Mario Draghi räumt aber ein, dass sein Haus mit dem Versprechen lediglich Zeit gekauft hat. Das Misstrauen kann wieder zunehmen.