Der Enkel des Hemminger Barons Ulrich Freiherr von Varnbüler ist derzeit Praktikant im Rathaus. Um seine Herkunft macht Johann von Varnbüler kein Bohei. Dem 19-Jährigen steht eine große Veränderung bevor.

Hemmingen - Er hat sich mit dem CDU-Fraktionschef Walter Bauer über die Landwirtschaft unterhalten, sich mit Thomas Pappelau vom Bauamt aktuelle Baustellen wie die Seestraße oder das Feuerwehrhaus angesehen, einen Überblick über die Entwicklung des Neubaugebiets Hälde verschafft oder beim Notariat in Ludwigsburg vorbeigeschaut: Langeweile ist für Johann von Varnbüler ein Fremdwort während seiner Zeit als Praktikant in der Hemminger Verwaltung.

 

Dort schaut der 19-Jährige, der mit seiner Familie sonst in Düsseldorf in Nordrhein-Westfalen lebt, dem Bürgermeister Thomas Schäfer (CDU) noch bis Freitag über die Schulter. Er lernt seinen Tagesablauf kennen und kommt auf seine Termine mit. „Wir sind gut rumgekommen“, sagt Thomas Schäfer, die Sommerferienzeit sei von Vorteil, da habe er Luft.

„Das ist ein großer Schritt für mich“

Praktikanten hat Thomas Schäfer zwar regelmäßig. Doch adlig sind die wenigsten: Johann von Varnbüler ist der Enkel des Hemminger Barons, Ulrich Freiherr von Varnbüler von und zu Hemmingen. Das Varnbüler’sche Schloss ist seit 1985 auch das Rathaus der Gemeinde, das Wohnhaus grenzt an. Dort verbringt der Freiherr mit Tochter und Enkel etwa drei Wochenenden im Jahr, sonst lebt er am Chiemsee. „So viel erlebt wie in den letzten zwei Wochen habe ich aber noch nie“, sagt Johann von Varnbüler – zumal er auch noch nie so lange am Stück in Hemmingen gewesen sei. Zugleich habe er eine ganz andere Seite des Ortes erlebt. Zum Beispiel sei ihm bis dato nicht bewusst gewesen, wie viel Organisation für eine Gemeinde notwendig sei.

Ob er später ebenfalls in der Verwaltung arbeiten will? Johann von Varnbüler schüttelt den Kopf. Wie sein Vater studiert er Werkstoffingenieurwesen, die Naturwissenschaften liegen ihm. Im Oktober beginnt sein neues Leben als Student in Aachen: „Das ist ein großer Schritt für mich.“ Verantwortlich für die Lehrzeit in Hemmingen ist vielmehr der Großvater, zu dem der 19-Jährige ein gutes Verhältnis hat. Der Baron hat in Hemmingen im Alter von 19 rund zwei Jahre lang in der Landwirtschaft gearbeitet. Dies sollte der Enkel auch tun, wenn auch nicht ganz so lange. „Allerdings wird heute in der Landwirtschaft viel maschinell gemacht. Für mich wäre vielleicht zu wenig Arbeit angefallen“, meint Johann von Varnbüler. Als Thomas Schäfer im Mai dem Großvater für seine Verdienste um die Gemeinde die Bürgermedaille überreicht hat, reifte die Idee, dass der 19-Jährige doch in die Arbeit im Rathaus hineinschnuppern könne. Gesagt, getan. Dass er dem Adel entstammt, merkt man dem 19-Jährigen nicht an. Der Abiturient trägt Jeans, Poloshirt und Turnschuhe. Er stellt sich als Johann vor, dem Fotografen schreibt er ungern seinen vollen Namen auf: Johann Christian Carl Freiherr von Varnbüler von und zu Hemmingen.

Er spielt Feldhockey, Tennis, Golf und Klavier. Als Student wird er mit zwei Kommilitonen in einer Wohngemeinschaft leben. Ein Bohei um seine Herkunft macht er nicht, aber stolz ist er schon darauf. Er interessiert sich für die Geschichte seiner Vorfahren. Auch der Bürgermeister freut sich über das Interesse des 19-Jährigen. „Er stellt viele Fragen zu den Zusammenhängen“, sagt Schäfer. Der Schultes legt Wert auf eine solide Beziehung zur Familie Varnbüler. Laut unbestätigten Schätzungen gehören dem 91-jährigen Freiherrn knapp zehn Prozent der Fläche Hemmingens.

Bodenständig geblieben

Darunter ein etwa 5,5 Hektar großes Grundstück in der Hälde. Die Fläche hätte die Gemeinde schon bei der Planung des Gebiets gern erworben. „Ich kenne den Sachverhalt nur aus der Aktenlage“, sagt Thomas Schäfer. Gram ist er dem Freiherrn nicht. Vielmehr stehen die zwei in regelmäßigem Kontakt. Der 91-Jährige meldet sich, wenn er vor Ort ist und liest aufmerksam das Amtsblatt. Und auf die Erzählungen des Enkels freut er sich bestimmt schon.