Bundestrainer Christian Prokop hat am Freitag die Katze aus dem Sack gelassen und sein EM-Aufgebot bekannt gegeben: Mit den Stuttgartern Patrick Zieker – und Torwart Johannes Bitter.

Sport: Joachim Klumpp (ump)

Stuttgart - Am Freitag hat der Handball-Bundestrainer seinen 17-Mann-Kader für die EM im Januar in Norwegen. Schweden und Österreich bekannt gegeben – mit Torwart Johannes „Jogi“ Bitter, der mit 37 Jahren ein überraschendes Comeback gibt. Im Interview mit unserer Zeitung gibt der Keeper des TVB Stuttgart zu: „Die Nominierung hat mich absolut überrascht.“

 

Herr Bitter, wie lautet Ihre erste Reaktion auf die Nominierung für den EM-Kader?

Ich bin natürlich sehr froh und stolz jetzt wieder in diesem elitären Kreis dabei zu sein und nach der langen Zeit wieder Länderspiele bestreiten zu dürfen. Ich freue mich sehr über das Vertrauen des Bundestrainers – und auf den Januar.

Sie standen ja schon letztes Jahr im erweiterten Aufgebot, wurden dann aber gestrichen. Was lief dieses Mal anders?

Es gibt ja auch gewisse Absprachen. Ich stand in den letzten zwei Jahren ganz klar für den Notfall bereit, es gab eine klare Hierarchie, die hat sich jetzt ein bisschen verschoben, der Bundestrainer plant anders, er sieht mich aktuell unter den zwei Torhütern für seinen Kader.

Wann haben Sie gemerkt, das sich die Hierarchie verändern könnte?

Es gab keine anderen Absprachen in dem Sinne, dass ich etwas wusste. Der Bundestrainer spricht mit seinen Spielern und fragt: ,Bist du bereit, fühlst du dich fit?’ Da habe ich mit immer mit Ja geantwortet. Ich denke, ich konnte über eine stabile Bundesligaleistung und auch Dinge, die ich als Typ Johannes Bitter mitbringe, den Bundestrainer überzeugen, dass ich der Mannschaft weiterhelfen kann.

Lesen Sie auch: Warum Bitter um drei bis fünf Jahre verlängern müsste

Was bringen sie denn als Typ mit?

Schuhe in Größe 50, die ich gut pflegen muss, weil es die nicht überall auf der Welt gibt, darüber hinaus natürlich jede Menge Erfahrung. Ich will nicht sagen, dass ich die Ruhe in Person bin, auf dem Feld sicher nicht, drumherum aber schon. Ich habe sehr, sehr viel erlebt und weiß auch, dass man mit Niederlagen ins Turnier starten und trotzdem noch den Titel holen kann. In dieser Hinsicht kann ich einer doch relativ jungen Mannschaft viel Stabilität geben.

Hat sie die Nominierung denn überrascht?

Absolut, mit so etwas plant man nicht. Man versucht seine Leistung zu bringen und den Bundestrainer zu überzeugen. Das tut man mit dem Club und weil man Spaß daran hat, was man macht. Wenn es darin mündet, dass einem der Bundestrainer das Vertrauen schenkt, ist es das schönste Geschenk, das man bekommen kann.

Im Fußball hat die Torhüter-Besetzung in der Nationalmannschaft ja schon zu vielen Diskussionen geführt. Wie sehen Sie das Verhältnis zu Ihrem Konkurrenten?

Die Vergleiche aus dem Fußball hinken, die Handball-Situation ist etwas anders, da kann man im Spiel bekanntlich leichter wechseln. Aber es ist auch nicht mein Anspruch, Dinge vorzugeben oder mir Gedanken darüber zu machen. Ich denke es ist ein großes Plus, dass ich noch nie mit einem Torwartkollegen aneinander geraten bin, ich kann auf diesem Niveau damit leben, wenn ich mal nicht spiele. Dennoch werde ich alles dafür tun, dass ich die Nummer eins bin, das ist mein Naturell schon immer gewesen. Aber über allem steht das Teamziel, dem werde ich mich immer unterordnen.

Lesen Sie auch: Bitters Bekenntnis zu Stuttgart

Was ist denn möglich bei der EM?

Darüber habe ich mir noch gar nicht so viele Gedanken gemacht. Ich habe mal über die Vorrunde geschaut, dass wir die überstehen, muss der Anspruch sein. In der Hauptrunde warten dann Gegner, die man nicht alle schlagen muss, aber schlagen kann. Es ist möglich, sogar vom Halbfinale zu träumen und dies zu erreichen.

Wie verlief das Telefonat mit dem Bundestrainer?

Das Telefonat war kurz und knapp - und ich war auch relativ sprachlos.

Bringt die Nominierung denn Ihre persönliche Urlaubsplanung durcheinander?

Wenn man das Bekenntnis für den 28er-Kader abgibt, muss man in Erwägung ziehen, im Januar bereit zu stehen – das habe ich gemacht. Ich habe keinen Urlaub gebucht, sondern werde die Bundesligazeit zu Ende bringen, dann mal zwei Tage durchschnaufen und dann geht’s am am 2. Januar direkt los. Das wird aber kein Kaltstart sein, sondern wir stehen voll im Saft. Aber viel Zeit zur Vorbereitung bleibt nicht, wir haben nur eine Woche.

Sind Sie denn nach der langen Länderspielpause nervös?

Das ist eine positive Anspannung, aber grundsätzlich bin ich nicht nervös, sondern freue mich extrem darauf, die Hymne wieder zu singen. Es war nun mal so, dass ich 2011 die Entscheidung getroffen habe, das nicht mehr zu wollen. Das war richtig damals für die Kinder, aber die sind größer und die Lebensumstände haben sich verändert. Es ist jetzt einfach eine neue Zeitrechnung, und wenn ich mit 37 Jahren den Bundestrainer überzeugen kann, ist glaube ich alles gesagt.

2020 steht ja auch noch Olympia auf dem Programm, wie sehr reizt Sie das?

Die Motivation ist natürlich groß, weil die Olympischen Spiele greifbar sind. Ich war in Peking, das war ein tolles Erlebnis, und Tokio rückt näher, das ist klar. Aber es ist nicht so, dass ich im Bett darüber nachdenke. Ich bin werde jetzt erst einmal alles dafür tun, dass das Torhüterduo funktioniert, dass Andy Wolff und ich der Mannschaft von hinten Stabilität geben können, damit das Team was Große erreichen kann. Der DHB hat sich Ziele gesetzt, die wir umsetzen wollen – und da geht es erst einmal nur um die EM.

Neben Ihnen steht vom TVB ja auch noch Patrick Zieker im Kader.

Es freut mich sehr, dass ich nicht allein aus Stuttgart zur Nationalmannschaft fahre. Ich hoffe, dass er beim Lehrgang nochmals so überzeugen kann, dass er zum endgültigen Aufgebot zählt und mit nach Norwegen fliegt. Patrick spielt eine hervorragende Saison, ist ein richtig guter Typ und hat hier alles auf die Platte gebracht. Er wird auch der Nationalmannschaft durch seine Schnelligkeit, Qualität und Aggressivität auch in der Abwehr helfen können. Das hat der der Bundestrainer wohl auch so gesehen.