Die John-Cranko-Schule braucht einen Neubau, darin sind sich Stadt und Land einig. Doch über die Verteilung zusätzlicher Kosten gibt es heftigen Streit. Ist das Staatstheater maßlos in seinen Wünschen? Seine Intendanten weisen die Vorwürfe zurück.

Kultur: Tim Schleider (schl)
Stuttgart - Ein später Juli-Vormittag in der Urbanstraße im Stuttgarter Osten. Pausenstimmung in der John-Cranko-Schule des Stuttgarter Balletts: die ersten Trainingsstunden sind absolviert, die meisten Schüler des Internats noch im Unterricht an Realschule oder Gymnasium. Die drei Chefs des Hauses – der Ballettintendant Reid Anderson, der Geschäftsführende Intendant Marc-Oliver Hendriks und der Schuldirektor Tadeusz Matacz – bedenken den Stand der Debatte über einen Schulneubau.
Herr Anderson, der Abteilungsleiter des Landesrechnungshofes, Armin-Hagen Berberich, hat in seinem Gutachten zum Neubau der Cranko-Schule das Stuttgarter Ballett die „kleine Raupe Nimmersatt“ genannt. Kennen Sie das Buch?
Anderson So ungefähr. Wird daraus nicht am Ende ein schöner Schmetterling?

Zuvor frisst sich die Raupe groß und fett.
Anderson Dann kann er uns nicht gemeint haben. Das Ballett ist schlank.
Hendriks Diese Äußerung des Rechnungshof-Abteilungsleiters bewegt sich nicht mehr im Rahmen einer sachorientierten Debatte. Sie war ungehörig.

Was Armin-Hagen Berberich mit seinem Vergleich ja vermutlich zuspitzen wollte, ist die These, das Stuttgarter Ballett schiebe die Bedürfnisse der Cranko-Schule vor, um sich selbst exklusive Trainings- und Probenbedingungen zu schaffen, und provoziere so Mehrkosten von rund 18 Millionen Euro.
Anderson Das ist Unsinn. Seit acht Jahren laufen die Planungen für den Neubau einer Cranko-Schule, der zugleich eine angemessene Probenbühne für das Stuttgarter Ballett liefern soll – eine Probenbühne, wie wir sie seit über fünfzig Jahren im Stuttgarter Staatstheater nicht besitzen. Die Oper und das Schauspiel haben ja vor zwei Jahren neue Probenbühnen im „Nord“ bekommen. Uns wurde dann eine Probenbühne im Neubau der Cranko-Schule zugesagt, was aus logistischen und organisatorischen Gründen auch mehr Sinn macht. In diesen acht Jahren haben wir nie irgendetwas draufgelegt oder Extras in die Pläne geschmuggelt.
Matacz Es gab ja anfangs Überlegungen, unseren Altbau hier in der Urbanstraße 94 zu erweitern. Aber dann hat der Oberbürgermeister Wolfgang Schuster nach einer Besichtigung vor vielen Jahren gesagt, nein, hier bringt das Renovieren und Erweitern nichts, wir bauen lieber neu.
Anderson Die Idee, Cranko-Schule und Probenbühne für die Kompanie miteinander zu verbinden, will gerade die Mittel so effektiv wie möglich einsetzen. Cranko-Schule und Kompanie nutzen dann gemeinsam die neue Probenbühne. Das gilt auch für die Trainingsräume und die Physiotherapie.

Aber muss diese Probenbühne gleich zur zusätzlichen Spielstätte ausgebaut werden?
Hendriks Eine solche Probenbühne wird doch nur effektiver, wenn sie auch als Studiobühne genutzt werden kann. Dort sind genau jene kleine Vorstellungen und Tanzwerkstätten möglich, an denen das Publikum großes Interesse hat und mit denen das Ballett seine Jugend- und Bildungsarbeit noch verbreitern könnte.