Die Württembergische Landesbühne Esslingen erzählt aus dem Leben der Countrylegende. Seinen Namen darf sie aber nicht verwenden.

Esslingen - Als der Sänger Johnny Cash eigentlich schon am Ende war, und kaum noch jemand seine Platten kaufen wollte, da trat der Produzent Rick Rubin in sein Leben. An der Württembergischen Landesbühne in Esslingen heißt dieser geniale Rauschebartträger Dieter Diamant (was rechtliche Gründe hat, dazu später mehr), und der gibt dem Sänger einen guten Rat. Er müsse seine Musik reduzieren, sagt Rubin/Diamant zu Johnny, der in Esslingen – ebenfalls aus juristischen Gründen – den Namen Bargeld trägt: „Weniger ist mehr.“

 

Für Johnny Cashs Karriere zahlte sich Rick Rubins Rat aus: In Zusammenarbeit mit dem Produzenten entstanden die kargen, legendären „American Recordings“, die Cashs Rang als Kultstar im fortgeschrittenen Alter begründeten. Aber was für Cashs Karriere galt, muss nicht unbedingt für eine Johnny-Cash-Hommage am Theater gelten: Vor einem halben Jahr unternahm das Stuttgarter Staatsschauspiel eine opulente musikalisch Entdeckungsreise durch Cashs Werk – „Mehr ist mehr“ könnte das Motto des grandiosen Abends gelautet haben. In Esslingen hingegen wird eher nachgespielt als entdeckt: Eine solide Viermann-Band spielt meistens Country, gelegentlich Jazz und zuweilen Rock ’n‘ Roll. Und Ulf Deutscher und andere singen sich durch den erweiterten Cash-Kanon. Das ist weniger.

Für das Mehr haben die Esslinger ja die Spielszenen aus Johnny Cashs Leben, die eigentlich verzahnt mit den Songs einen runden Abend ergeben hätten. Aber der Johnny Cash Trust in Los Angeles hat der WLB in Esslingen drei Tage vor der Premiere die Darstellung von Johnny Cash und seiner zweiten Frau June Carter Cash untersagt. Die Lösung des Intendanten Friedrich Schirmer: eine Stunde Schauspiel mit Namen wie Bargeld und Diamant. Eine „Parabel“ nennt Schirmer das listig, „die Personen sind frei empfunden“. Und im Anschluss eine Stunde Musik.

Cash kämpft gegen die Drogensucht an

Das erste Problem an dieser Konstruktion: der Abend namens „Ring of Fire – Cash is King“ zerfällt in zwei nur lose verbundene Teile. Das zweite Problem: keiner der beiden Teile trägt allein. Dabei wühlt sich Ulf Deutscher als Johnny engagiert durch die von ihm selbst verfassten Spielszenen, in denen der Countrysänger mit der Liebe, mit den Drogen und mit den Erwartungen anderer (vom Regisseur Johan Heß hübsch gelöst durch skurrile Mehrfachrollen) zu kämpfen hat. Und Marie Mayer gibt eine so vielschichtige June, dass Johnnys lebenslang enge Beziehung mit dem Tod mitunter beklemmend greifbar wird. Aber dann wieder: Schwankhaftes.

Im musikalischen Teil mangelt es bei aller Solidität an zündenden Ideen zum blechernen Sound: Dem Song „I got Stripes“ widmet man sich mit fröhlichem Ensemble-Geträller, durch „Jackson“ rattert man stiltreu, und in „Hurt“ bootet der Schauspieler Ulf Deutscher den Sänger Ulf Deutscher aus. Dass die Esslinger eigentlich zu entschlossenen Erkundungen in der Lage sind, stellen sie in ihrer sehnig jaulenden Alternativversion des Cash-Hits „Ring of Fire“ unter Beweis.