Jonas Wohlfarth-Bottermann zurück im DBB-Team „Ich brauche keine Nachhilfestunde“

Der Ludwigsburger Center Wohlfarth-Bottermann Foto: Baumann/Britsch

Ludwigsburgs Kapitän Jonas Wohlfarth-Bottermann spricht über sein Comeback in der Basketball-Nationalmannschaft nach neun Jahren, Trainer Gordon Herbert und Gegner Israel.

Sport: Joachim Klumpp (ump)

Ludwigsburg - Lang, lang ist’s her, dass Jonas Wohlfarth-Bottermann viermal in der Basketball-Nationalmannschaft aufgelaufen ist. Nun gibt es nach knapp neun Jahren ein Comeback für den Center der MHP Riesen Ludwigsburg. „Ich gebe mein Bestes, um im Kader zu bleiben“, sagt der 32-Jährige.

 

Herr Wohlfarth-Bottermann, in Ihrem Verein in Ludwigsburg waren ja einige freie Tage angesetzt, mussten Sie die Urlaubsplanung wegen der Nationalmannschaft nun ändern?

Nein, das nicht. Ich hatte schon eine Woche davor gehört, dass es eventuell zu einer Nominierung kommen würde – und mir deswegen alles frei gehalten.

Wie sehr hat Sie die Berufung dann doch nach fast neun Jahren Pause überrascht?

Es gab immer mal wieder Kontakt, auch als Henrik Rödl noch Bundestrainer war, da stand ich teilweise auch auf der Nachrückerliste – jetzt hat es eben geklappt. Ich freue mich natürlich sehr darauf, viele bekannte Gesichter wiederzusehen.

Sie kennen den neuen Trainer Gordon Herbert ja noch aus Zeiten bei den Skyliners Frankfurt. War das ein Vorteil?

Sicher macht es die Sache einfacher, wenn man sich persönlich kennt. Aber das war wie gesagt beim Vorgänger Henrik Rödl auch der Fall, der war damals mein U-20-Trainer. Letztlich muss man vor allem die entsprechenden Leistungen zeigen und dann auch bereit sein zu spielen. Ich denke, dass eher das Gesamtpaket den Ausschlag gab.

Können Sie sich denn noch an das letzte Länderspiel erinnern, das war immerhin 2013?

Puh, das ist in der Tat ein Weilchen her, noch unter Bundestrainer Frank Menz. Das war in der EM-Vorbereitung gegen Frankreich, ich glaube, in Straßburg, aber das Ergebnis weiß ich beim besten Wille nicht mehr (66:74, Anm. d. Red.).

Gibt es denn den winzigen Traum, sogar mal bei einer WM auflaufen zu können?

Ich würde niemals nie sagen, aber ich bin realistisch genug, um zu wissen, dass wir bei einem großen Turnier gerade auf meiner Position sehr stark besetzt sind, mit Spielern aus der Euroleague und der NBA sowieso. Ich sehe das eher als Belohnung und freue mich auf die Verantwortung, die jetzt auf mich zukommt.

Mussten Sie nach der langen Pause erst mal einen kleinen Nachhilfekurs in Sachen Nationalmannschaft machen?

Einen Nachhilfekurs muss ich nicht machen, ich verfolge die Spiele immer und kann mir auch die Philosophie des Trainers in etwa vorstellen, unter dem ich ja in Frankfurt zwei Jahre lang gespielt habe.

Welche Erinnerung haben Sie denn an den kanadischen Bundestrainer Gordon Herbert?

Er ist sehr defensiv orientiert, Verteidigung ist ihm wichtig. In der Offensive setzt er auf schnelles Spiel und Fastbreaks. Aber er hat sicher auch noch ein paar neue Dinge auf Lager. Die Kunst ist es ja immer, sich in der kurzen Vorbereitung der Nationalmannschaft zu finden, das ist vielleicht etwas einfacher für diejenigen, die schon unter ihm gespielt haben.

Wie es der Zufall so will, haben Sie mit den MHP Riesen vor Kurzem erst in Israel in Holon gespielt, wo die gut 3000 Zuschauer einen wahren Hexenkessel entfacht hatten. Macht der Heimvorteil der Israelis die Sache noch schwieriger?

Generell weiß man, dass die Unterstützung der Fans in Israel sehr enthusiastisch ist. Und die Situation in Holon war für uns etwas ungewohnt, weil man in Coronazeiten so eine Kulisse gar nicht mehr gewohnt war. Ich persönlich kann jetzt schon etwas besser einschätzen, was uns dort erwarten wird.

Die Atmosphäre macht es nicht einfacher. Wie muss man die sportliche Lage einschätzen, nachdem die Mannschaft schon eine überraschende Niederlage gegen Estland kassiert hat?

Sehr ernst. Die Zielvorgabe ist klar – zwei Siege gegen Israel. Ich bin auch zuversichtlich, dass wir das mit den Spielern, die wir dabei haben, schaffen können. Es wird nicht leicht, aber wenn wir konzentriert arbeiten, haben wir eine sehr gute Chance, auch gegen Israel zu gewinnen – zu Hause sowieso.

Stichwort zu Hause: Am 28. Februar steigt das Rückspiel in Heidelberg. Bis dahin könnte es noch Nachnominierungen von den Euroleague-Teams Bayern und Berlin geben. Wie enttäuscht wären Sie, wenn Sie dann quasi vor der Haustüre aus dem Kader gestrichen würden?

So eine Situation ist natürlich nie schön, wenn man sich aufs Spielen eingestellt hat. Ich bin jedoch sehr spät zurückgekehrt, sodass ich mir da keine Luftschlösser baue, aber natürlich habe ich den Ehrgeiz, mich gut zu präsentieren und weiter dabei zu sein.

Ursprünglich hätten Sie bei den MHP Riesen eine Pause gehabt, die könnte jetzt bis zum nächsten BBL-Spiel am 3. März quasi ausfallen. Ist das dann eher Motivation oder Belastung?

Das ist einerseits sicher eine Belastung, wenn so eine Pause fehlt, kann aber auch ein Vorteil sein, weil man so im Basketball-Rhythmus bleibt. Ich sehe es eher als Vorteil, weil die Aufgabe bei der Nationalmannschaft ja eine positive Situation ist.

Bei der Nationalmannschaft wurde aus Ludwigsburger Sicht zuletzt sogar der junge Teamkollege Johannes Patrick, 20, gehandelt. Trauen Sie als Kapitän ihm diesen Sprung demnächst zu?

Grundsätzlich traue ich das allen jungen Spielern zu, die in der BBL ihr Potenzial gezeigt haben. Oder einfach konstant in der Liga spielen. Zum jetzigen Zeitpunkt ist es sicher noch ein gewisser Weg, Johannes spielt schließlich das erste Jahr komplett als Profi. Aus Erfahrung kann ich nur sagen, dass immer viel passieren kann – in jede Richtung.

Was wird denn einfacher: Mit der Nationalmannschaft als mindestens Dritter die nächste WM-Qualifikationsphase zu erreichen oder mit den Riesen die Play-offs der besten Acht in der BBL?

Ich glaube, beides ist realistisch und auch machbar.

Infos

Liga
Jonas Wohlfarth-Bottermann ist bereits die dritte Saison bei den MHP Riesen Ludwigsburg. Davor spielte der 32-Jährige schon in Bonn, Berlin, Ulm und Frankfurt in der Bundesliga. Er ist mit 2,08 m ein typischer Center. Mit den Riesen wurde er 2020 ebenso Vizemeister wie mit Bonn (2008), mit Alba Berlin zudem zweimal Pokalsieger.

Nationalteam
In der A-Nationalmannschaft bestritt „WoBo“, wie er genannt wird und auf dem Trikot steht, vier Spiele, alle im Sommer 2013. Jetzt in der WM-Qualifikation muss das Team gegen Israel, Polen und Estland mindestens Gruppendritter werden, um die nächste Qualifikationsphase für die WM 2023 zu erreichen.

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