„Auftrag für Moving Kings“ heißt der neue Roman von Joshua Cohen. Der junge US-Schriftsteller erweist sich abermals als brillanter, atemloser Erzähler. Doch die Geschichte über einen New Yorker Transportunternehmer und dessen israelischen Neffen hat auch Schwächen.

Stuttgart - David King ist der Prototyp eines Mannes, der ahnt, dass seine beste Zeit hinter ihm liegt. Der aber auch nicht das Ruder herumreißen kann, um noch mal neu zu beginnen: Seine Ehe ist in die Brüche gegangen, Kings Tochter Tammy arbeitet für eine NGO und liegt mit ihrem Vater meist über Kreuz; mit seiner Büroangestellten Ruth hat er eine Affäre, die ihm über den Kopf wächst. Und gerade erst hat er sich von einem leichten Herzinfarkt erholt.

 

Manch ein amerikanischer Kritiker hat in diesem von einer Midlife Crisis angefassten Unternehmer die jüdische Version von Toni Soprano erkannt. Allerdings sind Kings Geschäfte mehr oder minder gesetzestreu: Er hat ein Möbeltransportunternehmen, das in allen fünf Vierteln von New York tätig ist. Wer sein Hab und Gut ein Weilchen nirgendwo unterbringt, kann es in den Lagerhallen von David King verstauen – und wenn die Gebühren nicht mehr bezahlt werden können, wechselt eben der Besitzer.

Aus diesem Fundus unterschiedlichster Einrichtungen bestückt King die leer stehende Wohnung seiner Eltern. Es hat sich nämlich Besuch angekündigt. Sein Neffe Yoav, der Sohn seiner Cousine, reist aus Israel an. Er hat gerade seinen Militärdienst hinter sich gebracht. Und die neue Freiheit will ausgekostet werden.

Die Sätze sprühen vor Esprit

„Auftrag für Moving Kings“ heißt der neue Roman des amerikanischen Schriftsteller-Wunderkinds Joshua Cohen, der – Jahrgang 1980 – schon einige gewichtige Bücher vorgelegt hat. Für seine Verhältnisse ist „Auftrag für Moving Kings“, was Volumen und Komplexität angeht, ein bescheidenes Werk: Gerade mal 300 Seiten hat es, und zudem ist die Geschichte ziemlich zielstrebig erzählt.

Was nicht heißt, dass sie keine Widerhaken hätte. Oder es Cohen an sprachlicher Brillanz mangeln ließe. Es ist keine leichte Herausforderung, Cohens doppeldeutige, satirische, vor Esprit sprühende, gewundene und sprachspielerische Sätze, seine Metaphorik und Wortakrobatik ins Deutsche zu bringen. Ulrich Blumenbach und Robin Detje haben die vorhergegangenen Romane übersetzt. Es sieht so aus, als bräuchten sie eine Verschnaufpause. Des neuen Buches hat sich Ingo Herzke angenommen, und er hat diese Aufgabe wunderbar gemeistert, der Roman verliert in der Übersetzung kaum an Drive.

Zu ambitioniert, zu sprunghaft

An ihm liegt es also nicht, dass „Auftrag für Moving Kings“ doch nur halbwegs gelungen ist. Das hat eher mit der Komposition des Buches zu tun, damit, dass Cohen einerseits zu ambitioniert, andererseits zu sprunghaft ist. Nachdem wir uns im ersten Teil des Romans mit den widrigen Lebensbedingungen David Kings angefreundet haben und auch die Ambivalenz hinsichtlich seines Jüdischseins erahnen, gerät dieser nicht uninteressante Charakter mit der Ankunft Yoavs gänzlich aus dem Blick.

Das zweite Drittel des Buches konzentriert sich auf den Besucher aus Israel. Rückblenden schildern die Armeezeit und jenen Tag, der sein Leben verändert hat. „Es gab einen einzigen Grund, warum Yoav in den USA war, den wahrsten, tiefsten und einzigen Grund dafür, dass er herumlümmeln, angewidert sein und sich Meinungen bilden konnte, wieso Gojim oder auch Juden in den USA so unmäßige Mengen Sonnenschutz auftrugen: weil nämlich im Sommer zuvor, fast auf den Tag genau ein Jahr vor seiner Landung in New York, inmitten dessen, was die Auslandspresse den Gaza-Krieg nannte, oder den Zweiten Gaza-Krieg, oder den Dritten Gaza-Krieg, während Israel einmal mehr darauf bestand, dass es nur ein Konflikt war ( . . . ), sein Freund Uri ihm das Leben gerettet hatte.“

Uri folgt Yoav in die USA. Beide arbeiten sie nun für Moving Kings. Der eine hat sich längst ein wenig eingewöhnt, der andere spricht kein Wort Englisch. Der eine trägt an einer inneren Last, die schwerer ist als alle Schränke und Tische, die er schultern muss; der andere gibt den starken, auf gewisse Weise zynischen Ex-Soldaten. Cohen zeichnet das Umfeld seiner Protagonisten mit großer Hingabe: Er hat ein wirkliches Händchen dafür, Typen zu schaffen und sie in einprägsamen, starken Wendungen lebendig werden zu lassen: Arbeiter, die Menschen auf der Straße, Möbelschlepper und deren alltägliche Plackerei. Ist man allerdings gerade so richtig in dieses Milieu eingetaucht, hat man sich ein bisschen in Yoavs und Uris Leben eingefunden, taucht plötzlich noch eine weitere Figur auf, die den anderen ihren Raum streitig macht: der schwarze Vietnam-Veteran Avery Luter.

Cohen will zu viele Themen unterbringen

Avery ist einer jener armen Schlucker, die aus ihren Wohnungen vertrieben werden. Das ist nämlich ein weiterer Geschäftszweig der Moving Kings: gewaltsame Wohnungsräumungen. „Sie gingen immer noch in ein Haus und durchsuchten die Räume etagenweise. Suchten nach Menschen, dann nach Besitz. Räumten zuerst die Menschen, dann den Besitz. Der Besitz blieb bei ihnen, die Menschen konnten gehen, wohin sie wollten, solange es jenseits der Grundstücksgrenze war, was bei diesem Grundstück jenseits des Heckenskeletts und der verbliebenen Latten des torlosen Zauns hieß.“

Die Beschreibung der Wohnungsräumungen korrespondiert mit Yoavs Erinnerungen an die Militäreinsätze in den besetzten Gebieten, das äußerst robuste Vorgehen gegen die Palästinenser. Die eine Arbeit unterscheide sich kaum von der anderen, denkt Yoav. Man würde diesem inneren Konflikt gerne weiter folgen. Die Ängste, die Tragik, die Traumata Yoavs werden angerissen, aber nicht auserzählt.

Am blassesten bleibt Avery Luter, die zuletzt eingeführte Hauptfigur. Cohen scheint zu sehr darum bemüht, verschiedenste gesellschaftliche Themenfelder in seinem Buch unterzubringen – Israel, Juden in der Diaspora, Gentrifizierung, Rassismus, das Auseinanderbrechen gesellschaftlicher Zusammenhänge. Jedes für sich genommen kommt dabei zu kurz.