Ein Heer von Journalisten versucht, fernab der Kämpfe an Fotos und heiße Nachrichten heranzukommen. Die Jagd nach dem krassesten Bild, der packendsten Geschichte, der lautesten Eilmeldung ist meistens allerdings vergeblich.

Sévaré - „Lindsey!“, brüllt einer fassungslos, den Blick auf den PC-Bildschirm geheftet, „Lindsey ist in Gao!“ Tatsächlich: Lindsey Hilsum vom britischen Channel 4 hat, auf der Ladefläche eines malischen Armee-Pick-up, Gao genommen. Sie zeigt live den Jubel frisch befreiter Menschen. Die Horde der Kriegsreporter im Innenhof des Hotels Flandre in Sévaré guckt ein wenig säuerlich. Hier, etwa 600 Kilometer vom Schauplatz entfernt, gibt es wenig Aufregendes zu vermelden.

 

Es läuft die Jagd nach dem krassesten Bild, der packendsten Geschichte, der lautesten Eilmeldung. Kriegsberichterstattung ist ohnehin ein absurdes Geschäft. Hier in Mali wird sie zum Geduldsspiel. Schon der Weg durch den Süden des Landes ist mit Checkpoints gespickt. Dort stehen Gendarmen und Soldaten, die verbeulte Tonnen auf der Straße hin- und herschieben wie beim Mühlespiel. Man muss immer wieder lächeln, Dokumente zeigen, langmütig sein. Im Norden dann ist oft tagelang gar kein Durchkommen. Zig hungrige Teams sind auf der Lauer: Reporter, Kameraleute, Produzenten, Fotografen, Fahrer, Übersetzer stehen in schweren Geländewagen vor Sperren, die sich nicht öffnen. „Das geschieht zu Ihrer Sicherheit“, sagen die malischen Soldaten. Die Franzosen mauern ebenso. Selbst die paar Journalisten, die beim Militär „eingebettet“ sind, klagen, sie bekämen kaum etwas zu sehen. „Das ist ein Krieg ohne Bilder und Fakten“, schreibt ein Kollege vom „Nouvel Observateur“.

Der schon bezahlte Konvoi fällt aus

Vergangene Woche, erzählt ein verzweifelter Italiener, habe er einem Offizier die verlangten 300 Euro gezahlt – damit sein Geländewagen in einen Konvoi gen Norden kommt. Der Konvoi kam nie zustande. Dafür ein Fernsehinterview mit dem Kommandanten, der die schönen Worte sprach: „Gefangene? Machen wir nicht!“

„Die Konkurrenz ist scharf“, meint Kolja, der Produzent des russischen Senders NTV, und stürzt noch ein Bier runter. „Jeder will die besten Kontakte, Storys, Bilder.“ Stolz zählt er seine „hot spots“ auf – Algerien, Syrien, Somalia, Sudan. Gestern vor Konna, sagt er, drängelten wieder 20 Teams am Checkpoint. Wie so oft brachten die Franzosen die Rettung. Antenne 2 kontaktierte die Militärs seiner Grande Nation. Die riefen Malis Verteidigungsminister an. Der seinen Mannen schließlich Order gab, die Reporter ein paar Kilometer vorzulassen. An den Ort des Geschehens von Vorgestern. „Und dann stolpern alle übereinander, um Einschusslöcher und kaputte Autos zu filmen“, stöhnt Kolja und bringt seine Zigarette zum Glühen. „Und vielleicht ein paar Menschen zu interviewen.“ „Das ist“, ruft der schlaksige Krisenkönig vom „Guardian“, „als würde man über einen Krieg in Albanien von Berlin aus berichten.“ Sein Gesichtsausdruck lässt Magenschmerzen erahnen. „In Birmingham sehe ich mehr Kämpfe als hier.“

Alle wollen nach Timbuktu – aber wie?

Auch im Hotel Kanaga in Mopti, an der Uferpromenade des Niger, die sich prächtig für TV-Aufsager eignet, campieren Reporter. Neben dem Pool dröhnt eine mobile Satellitenanlage, die Fernsehbilder live in den Himmel schicken kann. „Ich habe hier sehr schöne Gänse“, brummt ein norwegischer Fotograf, der an seinem Computer die Bildbeute des Tages durchforstet, „vor einem schrottigen Motorrad.“ Timbuktu ist das nächste Ziel für die Reporter. Doch wie dahin kommen? Etwa auf der Wüstenpiste an der mauretanischen Grenze entlang, wo womöglich Islamisten ihre Kriegskasse mit ein paar Geiseln auffüllen wollen? Timbuktu, die Story schlechthin, der magische Ort, den das Publikum in der Heimat kennt. „Ich bin doch hier nicht tagelang rumgefahren, um dann nicht anzukommen“, flucht ein US-Amerikaner. Morgen wollen alle weiter, irgendwohin, irgendwie.