Ägyptens Präsident Sisi geht auf Distanz zum Al Jazeera-Urteil, in dem langjährige Haftstrafen gegen Journalisten verhängt worden sind. „Ich hätte mir gewünscht, sie wären nicht vor Gericht gestellt worden", erklärt er.

Kairo - Ägyptens neuer Präsident Abdel Fattah al-Sisi hat zum ersten Male eingeräumt, dass der monatelange Schauprozess in Kairo gegen die Al-Dschasira-Journalisten ein Fehler war und dem internationalen Ansehen seines Landes schwer geschadet hat. Die Angeklagten waren nach einem haarsträubend inkompetenten und chaotischen Verfahren Ende Juni wegen „Unterstützung einer terroristischen Vereinigung“ und „Verbreitung falscher Nachrichten“ zu Haftstrafen zwischen sieben und zehn Jahren verurteilt worden. „Ich hätte mir gewünscht, sie wären nicht vor Gericht gestellt, sondern des Landes verwiesen worden", erklärte Sisi nach Angaben der Tageszeitung „Al-Masry Al-Youm“ in einem Gespräch mit ägyptischen Redakteuren. „Das Urteil gegen einige der Journalisten hatte einen sehr negativen Effekt, und wir hatten nichts damit zu tun“, erklärte er und distanzierte sich damit öffentlich von dem rabiaten Vorgehen der ägyptischen Justiz nach dem Sturz von Mohamed Mursi.

 

Denn der außenpolitische Flurschaden ist gewaltig, zumal die Willkürurteile gegen die vier angeklagten Ausländer und 16 Ägypter ausgerechnet 24 Stunden nach der von Sisi lange erbetenen Kairo-Visite des amerikanischen Außenministers John Kerry ergingen. Extrem verärgert nannte Kerry das Strafmaß „gruselig“ und „drakonisch“, die Menschenrechtskommissarin der Vereinten Nationen, Navi Pillay, kritisierte die Justizpraxis am Nil als „widerlich“. Nach ägyptischem Recht könnte der Ex-Feldmarschall auf dem Präsidentensessel die Angeklagten begnadigen, doch erst, wenn das Revisionsverfahren abgeschlossen ist, was sich Monate, wenn nicht Jahre hinziehen kann.

Risse im Machtkartell

Sisis indirekte Kritik offenbart erstmals Risse in dem Post-Mursi-Machtkartell aus Armee, Polizei, Justiz und alten Mubarak-Wirtschaftskreisen, die sich in den kommenden Monaten weiter verschärfen dürften. Noch am Tage des Al-Dschasira -Urteils hatte das ägyptische Außenministerium in einer Presseerklärung „die Standpunkte ausländischer Seiten“ öffentlich gerüffelt, „welche die Unabhängigkeit der ägyptischen Justiz und die Fairness ihrer Urteile in Frage stellen“. Diese Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Landes sei inakzeptabel und löse die Entrüstung des ägyptischen Volkes aus, hieß es in dem Text, der mit der Behauptung schloss, die Prozessrechte aller Angeklagten seien gewährleistet.

Mit dieser Sicht der Dinge allerdings steht Ägyptens Führung auf internationalem Parkett weitgehend allein. Mehr als 41 000 Staatsbürger wurden nach dem Ende der Muslimbruderherrschaft verhaftet, die brutalste innenpolitische Unterdrückungskampagne in der modernen Geschichte Ägyptens. Für abertausende politische Gefangene – Männer, Frauen und auch Jugendliche – wird die Untersuchungshaft stets weiter verlängert, ohne dass irgendwelche Ermittlungen angestellt, tragfähigen Beweise vorgelegt oder Anklage erhoben würde. Die Häftlinge leben zusammengepfercht in total überfüllten Zellen. Folter und sexuelle Misshandlung hinter Gittern sind „endemisch“, urteilt Amnesty International. Nahezu jede Woche werden zudem in bizarren Schnellprozessen Massen-Todesurteile verhängt, die die Polarisierung im Land weiter verschärfen.