Christoph Hochhäusler schildert die Arbeit zweier Journalisten an einer Enthüllungsstory im Berliner Filz von Politikern, Lobbyisten, Beamten und Wirtschaft. Aber das wird kein Film mehr über die Macht der Presse.

Stuttgart - Über Politiker hat der Bürger gemeinhin keine Illusionen mehr. Nennt er sie ein notwendiges Übel, drückt er sich noch höflich aus. Eigentlich trauen wir unseren gewählten Vertretern in einer der freiesten Gesellschaften dieser Welt mittlerweile alles zu. Aber weil die Volksvertreter auch ungerührt als Volksveräppler auftreten, weil sie selbst dann nichts zugeben, wenn eines ihrer richtig krummen Geschäfte aufgeflogen ist, verlangt der Bürger Durchleuchtung, Entwirrung, Haftbarmachung. Und er verlangt es von den Journalisten: Recherche heißt das Zauberwort, das in vielen Internetforen zum Kampfbegriff geworden ist.

 

Recherche, das ist dort kein Auftrag mehr, das ist ein Vorwurf: das Wort bezeichnet nicht mehr das Geleistete, sondern das Verweigerte, es steht für das, was eine angeblich feige, domestizierte, niedergeduckte, gekaufte oder von vornherein unwillige Presse nicht zu liefern imstande sei. Manche Bürger verachten die Journalisten mittlerweile so sehr wie die Politiker. Eigentlich müsste es im deutschen Kino von Journalisten- und Politfilzfilmen nur so wimmeln. Aber Christoph Hochhäuslers „Die Lügen der Sieger“ ist die einsame Ausnahme.

Ausgekonterte Enthüller

Hochhäusler erzählt von einer Recherche. Und er stellt sie zugleich permanent in Frage. Denn der Kameramann Reinhold Vorschneider versetzt den Zuschauer immer wieder in die Rolle eines Beobachters, der kein wünschenswert klares Bild vor sich hat, sondern ein verwirrendes, eines, das von Blockaden, Störungen, Kompromissen der Perspektivwahl geprägt ist. Man könnte auch sagen, Hochhäuslers Film suggeriert, dass der Beobachter, Anpirscher, Jäger selbst ein Beobachteter ist, einer, dem man nachstellt und den man in eine Falle locken könnte. Man verrät also nicht zu viel, wenn man ausplaudert, dass die Recherche von Fabian (Florian David Fitz) und der Praktikantin Nadja (Lilith Stangenberg), die der alte Hase vom Chef zugewiesen bekommt, ausgekontert wird.

Eigentlich ist „Die Lügen der Sieger“ ein gruseliger und wichtiger Film. Es geht nicht so sehr um das, was Fabian aufzuklären versucht, seltsame Vorgänge bei der Bundeswehr und Querverweise zu Giftmüllgeschäften. Das sind beliebige Platzhalter. Hochhäusler und Ulrich Peltzer, mit dem zusammen er wie bei „Unter dir die Stadt“ das Drehbuch geschrieben hat, könnten auch von der Pharmaindustrie oder einem Telekommunikationsriesen erzählen. Es geht ihnen am Beispiel um die mittlerweile gut funktionierende Spin Control, um das Krisenmanagement im Publicity-Bereich, das greift, bevor die Publicity da ist. „Die Lügen der Sieger“ ist ein Film über Desinformation und Täuschung, über Unterwanderung und Irreführung einer Recherche.