Zu ihrem 90-jährigen Bestehen organisieren die Fellbacher Briefmarkensammler am Wochenende eine hochkarätige Schau. Bundesweit in diesem Jahr einmalig wird sie Freunde der Philatelie aus halb Europa unter den Kappelberg locken.

Rems-Murr: Sascha Schmierer (sas)

Fellbach - Eine „Treskilling Yellow“ wird in der Alten Kelter nicht zu sehen sein. Und auch auf die kaum weniger wertvolle „Blaue Mauritius“ werden die Briefmarkenfreunde am Wochenende in Fellbach verzichten müssen. Ansonsten aber gibt es von Freitag bis Sonntag viel von dem, was ein Philatelisten-Herz höherschlagen lässt: Die „Flaggenstempel der deutschen See- und Schiffspost“ ebenso wie den „grenzüberschreitenden Post-verkehr zwischen Bayern und Preußen“, den „Orientexpress nach Konstantinopel“ ebenso wie die „Biographie des Bieres“.

 

Denn Fellbach wird am Wochenende der Nabel der Briefmarkenwelt. Sammler aus Österreich und Spanien, den Niederlanden und der Schweiz präsentieren in der Alten Kelter ihre schönsten Stücke. Die zum 90-jährigen Bestehen des Fellbacher Briefmarkensammlervereins organisierte Ausstellung wird als Rang-1-Schau eingestuft und dürfte bei freiem Eintritt an allen drei Tagen vierstellige Besucherzahlen an-ziehen. Der Termin in der Alten Kelter ist bundesweit die einzige Briefmarkenschau auf diesem Niveau, 2019 findet keine Ausstellung mit ähnlichem Stellenwert statt.

Drei Lastzüge waren nötig, um das Rahmenmaterial für die hochkarätige Schau in die Alte Kelter zu karren

„Wir dürfen uns auf 109 Exponate der Spitzenklasse freuen“, sagt Hans Steche, der Vorsitzende des Briefmarkensammlervereins BSV Fellbach. Gemeint ist mit dem Exponat nicht etwa ein gezacktes Einzelstück, sondern ein posthistorisches Thema, das in jeweils ein Quadratmeter großen Rahmen präsentiert wird. Während die Luftpostbriefe aus Mosambique mangels Masse mit einem einzigen Rahmen auskommen, sind schon für die postalische Darstellung der Wikinger sieben Rahmen nötig. Zum Vergleich: Die von 1 bis 424 gezählten Nummernstempel der Herren von Thurn und Taxis des Sammlers Manfred Rheinländer nehmen elf Rahmen ein, ebenso groß sind die Schautafeln, auf denen Bernd Lindemeyer sich unter dem Titel „Ein Volk auf den Krieg einschwören“ mit der Post im Dienste deutscher Kriegspropaganda der 1930er-Jahre befasst.

Wenn die 17 Mitglieder der Jury am Freitagmorgen mit der Bewertung der Ausstellungsstücke beginnen, ist zumindest das Vorbereitungsteam um Organisator Helmut Biemann urlaubsreif. „Das artet richtig in Arbeit aus“, sagt Hans Steche über die Planungen für den Höhepunkt des Vereinsjubiläums. Drei Lastzüge waren nötig, um das Rahmenmaterial für die hochkarätige Schau in die Alte Kelter zu karren, die Versicherungssumme für die Ausstellung am Wochenende bewegt sich laut dem Vorsitzenden im siebenstelligen Bereich. Kein Wunder, dass sich Steche über den Schäferhundeverein freut, der den Briefmarkenfreunden beim Wachdienst unter die Arme greift. Und auch der Reservistenkameradschaft stattet der Vorsitzende für den Aufbau bereits im Vorfeld seinen Dank ab: „Wir sind schlichtweg zu alt, um das alles stemmen zu können – und schon körperlich nicht mehr in der Lage, eine solche Ausstellung ganz alleine auf die Beine zu stellen“, räumt er ein.

Welche Raritäten am Wochenende in der Alten Kelter zu sehen sind, zeigt schon ein Blick auf den Alt-Württemberg-Salon

Dabei ist der BSV Fellbach nicht nur einer der ältesten Philatelie-Klubs im Land, sondern mit 80 Mitgliedern nach wie vor einer der größten Briefmarkenvereine. Immerhin fünf Jugendliche lassen sich in der Jugendabteilung in die Schätze mit dem gezackten Rand einführen. Und: Der BSV hat ein Einzugsgebiet, das durch halb Europa reicht. Mitglied im Verein ist zum Beispiel German Baschwitz, der in Spanien lebt und sich mit seiner Sammlung am Wochenende postalisch mit der „Blauen Division“ beschäftigt. Ausstellen darf bei einer Rang-1-Schau nämlich nicht jeder Feld-Wald-und-Wiesensammler. Strenge Verbandskriterien sorgen dafür, dass sich auf diesem Niveau nur Briefmarkenfans präsentieren dürfen, die inhaltlich etwas Besonderes bieten.

Welche Raritäten am Wochenende in der Alten Kelter zu sehen sind, zeigt schon ein Blick auf den Alt-Württemberg-Salon, einen der Höhepunkte der Fellbacher Ausstellung. Die nur mit der Unterstützung des Auktionshauses Christoph Gärtner aus Bietigheim zustande gekommene Sonderschau gibt einen wohl einmaligen Einblick in die philatelistische Geschichte des Südwestens – und wird laut Hans Steche in dieser Form wohl nicht mehr zu sehen sein. „Die einzelnen Belege sind inzwischen so wertvoll, dass sie sich ein Normalsammler gar nicht leisten kann. Jedes Einzelstück der Württemberg-Sammlung ist einen gut fünfstelligen Betrag wert“, sagt er.

Außer Konkurrenz hat sich übrigens auch der BSV Fellbach in die Ausstellung geschmuggelt – eine Lücke war noch frei, um abseits des Wettbewerbs die „Heimatsammlung Fellbach“ zu zeigen. Und wer nichts mit Briefmarken am Hut hat, kann sich wenigstens auf sieben Rahmen von Wilfried Fuchs freuen: „Die Erfolgsgeschichte des Weins – von der Rebe zum Genuss“ lautet der Titel im Katalog.