Das Gustav-Siegle-Haus wird 100 Jahre alt. Die Stadt feiert das Schmuckkästchen an diesem Samstag mit Zeitzeugen, Theater, einer Ausstellung und den Philharmonikern.
Stuttgart - AC/DC spielt in Stuttgart. Das Interesse ist überschaubar, weil der Veranstalter Schwierigkeiten hat, die Musik in eine Schublade zu packen. Sie so zu kategorisieren, dass auch Heinz Mustermann in Musterstadt weiß, was ihn erwartet. Am Ende finden sich 800 Besucher zum Konzert ein. Unvorstellbar? Nein, Stuttgarter Realität. Zumindest 1977, als Veranstalter Hans-Peter Haag die australische Band erstmals nach Stuttgart buchte, ins Gustav-Siegle-Haus. Haag bespielte den Veranstaltungsort, der dieser Tage seinen 100. Geburtstag feiert, von Mitte der 70er bis Mitte der 80er.
Das Gustav-Siegle-Haus zählt zu den wohltuenden Ausnahmen der Innenstadt, die nicht der Abrissbirne zum Opfer gefallen sind. Und das, obwohl das Gebäude im Zweiten Weltkrieg erheblich beschädigt wurde. Eine nach dem Farbenfabrikanten Gustav Siegle benannte Stiftung hatte das Haus von 1910 an von Theodor Fischer erbauen lassen. Zweck des Gebäudes damals: „Den Angehörigen der weitesten Kreise des Volkes den Zugang zu gediegener Bildung des Geistes und des Herzens erleichtern und eröffnen.“
Seit einigen Jahren kommt das Sieglehaus dieser Funktion tatsächlich einigermaßen nahe. Die Stuttgarter Philharmoniker haben dort ihre Probe- und Spielstätte gefunden. Die Galerie Kunstbezirk lockt mit einem ambitionierten Ausstellungsprogramm. Und in den hübschen Jazzclub Bix verirren sich sogar junge Menschen, wenn etwa die Partyreihe „Urban Session“ zu Livejazz und Dollerei lädt.
Hausjubiläum soll Rückenwind fürs Quartier bringen
Das Hundertjährige wird am Samstag, 6. Oktober, mit einem Fest gefeiert, das die ganze Bandbreite der Nutzung abbilden soll. „Wir wollen nicht nur 100 Jahre Sieglehaus feiern, sondern auch den ganzen Bezirk präsentieren“, erklärt Susanne Laugwitz-Aulbach, die Leiterin des Kulturamts der Landeshauptstadt Stuttgart. „Manche sehen die Zukunft der Stadt hinter dem Bahnhof, wir sehen die Zukunft der Stadt im Leonhardsviertel“, ergänzt Veronika Kienzle, die Bezirksvorsteherin Mitte. Zum Geburtstag gibt es unter anderem einen Blick hinter die Kulissen, Theater im öffentlichen Raum und ein Konzert der Philharmoniker. Zeitzeugen sind dazu aufgerufen, Erinnerungsstücke an das Sieglehaus für das künftige Stadtmuseum vorbeizubringen. „Und nach 23 Uhr steigen sie uns im besten Sinne aufs Dach“, weist Laugwitz-Aulbach auf ein Feuerwerk zum Ende des Festtages hin. Die Kulturamtschefin und die Bezirksvorsteherin erhoffen sich durch das Sieglehaus-Jubiläum Rückenwind für das Leonhardsviertel, das von der Stadtverwaltung lange vernachlässigt wurde. „Das Sieglehaus übernimmt eine Scharnierfunktion zwischen den beiden Herzkammern Bohnen- und Leonhardsviertel“, so Kienzle.