Der Mühlenwanderweg im Schwäbischen Wald besteht seit 40 Jahren und ist längst zum Hit geworden. Als Erfinder gilt der frühere Landrat des Rems-Murr-Kreises, Horst Lässing.

Jubiläumspfad - „Der Pfad ist steil und holprig. Auf ihm plagten sich einst mit schweren Mehlsäcken beladene Esel ab, heute werden dort nur noch Rucksäcke geschleppt – von Touristen.“ Mit diesen zwei einleitenden Sätzen begann ein sich über fünf Spalten ausdehnender Artikel im September 1979 in der Hamburger Wochenzeitung Die Zeit, der etwas später auch in der New York Times Beachtung fand, wie ein gewisser Horst Lässing erfuhr. Besagter Aufsatz handelte von einer Neuheit, die ein Jahr zuvor, im Herbst des Jahres 1978, im Schwäbischen Wald aus der Taufe gehoben wurde.

 

Kulturlandschaft und Mühlenoldies

Erfinder der Novität war eben jener Horst Lässing, der damalige Landrat des Rems-Murr-Kreises. Der war in seinen Anfangsjahren als Kreisfürst oft auf Schusters Rappen im Nordosten seines Hoheitsgebiets unterwegs. Und just dort, inmitten landschaftlicher Beschaulichkeit und idyllischer Naturstruktur, da ist es die von ihm so gepriesene Champagnerluft des Schwäbischen Waldes gewesen, die ihn zu einer großen Idee inspirierte. Man könne doch, so sinnierte er, die idyllische Kulturlandschaft rund um Welzheim mit ihren vielen Mühlenoldies zusammenbringen. Damit war er praktisch geboren, der Mühlenwanderweg. ,,Es war eine spontane Idee“, erinnert sich der heute 81jährige Horst Lässing. Keine Frage: Ganz besonders geschätzt wird die Tour von den Fans der Technikveteranen, der Mythos lebt.

Jetzt, am kommenden Sonntag, wird das 40jährige Bestehen dieser Wanderroute gefeiert, die längst zu einem Hit geworden ist, nicht nur bei Genusswanderern und Mühlenfreunden aus der Region, sondern auch weit darüber hinaus. Die geplante Jubiläumswanderung steht unter dem Motto Mühlen – Mythen – Maultaschen.

Wolfgang Läpple, ehedem beim Landratsamt beschäftigt, ist es seinerzeit gewesen, der Lässings Order in Sachen Mühlenwanderweg ins Werk zu setzen hatte. Er holte Rat von Wandervereinen und bei n lokalen Bürgermeistern ein, merkte aber recht schnell, dass die Euphorie seines Chefs vor allem bei Landwirten und Grundstücksbesitzern auf Vorbehalte stieß, zumindest anfänglich. Deren Befürchtung: wenn da große Menschenmassen in den Schwäbischen Wald einfielen, sei es bald vorbei mit der Ruhe in ihren Dörfern. Das Wandervolk, so ihre Sorge, zertrampele womöglich die Wiesen und auch Naturschützer waren alarmiert, sie sahen geschützte Orchideenstandorte in Gefahr.

Selbst die Eigner der mahlenden Immobilien waren zunächst skeptisch. So soll es vorgekommen sein, dass der Entdeckungsdrang von manchen Gruppenmarschierern so groß war, dass sie bis in die gute Stube der Besitzerfamilien vordrangen. Ein solchermaßen Heimgesuchter, habe die ungebetenen Gäste mit dem Hinweis hinauskomplimentiert, er sei schließlich kein Museumseigner – wer Exotisches besichtigen wolle, grantelte der aufgebrachte Müller, der solle nach Afrika zu den Negern gehen.

DerMühlenwanderwegs wurde schnell zum Renner

Trotz allem: der Mühlenwanderweg entwickelte sich rasch zu einem Renner, am jährlichen Mühlentag und am Tag des Schwäbischen Waldes werden die Parkplätze im Mühlenländle zu einem raren Gut. Für den großen Zulauf sorgt die Magie der Mühlenoldies, man könnte auch sagen: die ratternden Technikveteranen machen den Wanderern Beine. Die Wissbegierigsten wollen alles wissen: technische Daten ihrer Objekte der Begierde ebenso wie Gruselgeschichten, die sich um die betagten Mahlbetriebe ranken. Da sind häufig Teufel und Gespenster im Spiel, nicht fehlen darf die schöne, aber unglückliche Müllerstochter und ihr Galan. Das Ohren spitzende Publikum erfährt freilich auch, dass das Leben kein Zuckerschlecken war und dass die Last der Mehlsäcke so manchen Müller krumm und bucklig werden ließ.

Sparsamkeit war bei den Müllersleuten oberstes Gebot, das fand Wanderwegplaner Läpple auf seinen Erkundungstouren bestätigt. Als er den einstigen Besitzer der Meuschenmühle besuchte, hatte er Gelegenheit, einen Blick in dessen Schlafkammer zu werfen. Da sah er einen Stapel Zeitungen auf dem Bett des Müllers liegen. Auf Läpples Frage, was es damit auf sich habe, sagte Grau: ,,Die leg’ i obeds uffs Leiduach, no braucht ma des net so oft wäsche“.

Auf der Wanderroute von Mühle zu Mühle sind die einstigen Zeugen dieses Berufsstandes aufgereiht wie Perlen an der Schnur. In den Streckenverlauf integriert wurden jüngst die Glattenzainbachmühle im Murrhardter Stadtteil Kirchenkirnberg und die Michelauer Ölmühle in Rudersberg. iert. Die Gesamtlänge: 37 Kilometer. Mitunter wird’s steinig, steil und rutschig, ungemütlich für Lackschuhwanderer. Je nach Kondition können die Freunde von Schusters Rappen unter drei Rundwegen wählen. Die Tour zwischen der Brandhöfer Ölmühle und der Hummelgautsche ist für Dietrich Frey, den Manager des Mühlentags, nicht nur der schönste, sondern auch informativste Abschnitt aller drei Teilstrecken. Hier begegnet das Wandervolk den drei wichtigsten Mühlentypen im Schwäbischen Wald: der Öl-, Säg- und Mahlmühle.

Ganz wichtig: der eingangs erwähnte Bericht in der Wochenzeitung Die Zeit endet mit einem Hinweis auf Wirtschaften entlang der Marschroute. Er lautet: ,,Ein herzhaftes schwäbisches Vesper und ein süffiges Viertele aus dem nahen Remstal, serviert mit einem freundlichen ,,sodele“, lässt den abgeschlafften Wandersmann –auch den Reingeschmeckten- rasch wieder auf die Beine kommen“

Geburtstagstour auf dem Mühlenwanderweg

Jubiläum
Der Mühlenwanderweg im Schwäbischen Wald besteht seit 40 Jahren. Dazu gibt es eine Jubiläumswanderung, organisiert von der Fremdenverkehrsgemeinschaft Schwäbischer Wald. Sie findet am Sonntag, 14. Oktober 2018, statt und steht unter dem Motto „Mühlen – Mythen – Maultaschen“.

Tour
Start der Jubiläumstour ist um 14.30 Uhr auf dem Parkplatz an der Landesstraße zwischen dem Kaisersbacher Ortsteil Schadberg und Hellershof. Sie führt zu diversen historischen Mühlen und dauert etwa viereinhalb Stunden. Als Wegekundiger fungiert der Naturparkführer Walter Hieber, der viel Interessantes über die Technikveteranen zu berichten weiß. Zum Abschluss ist ein hausgemachtes Maultaschen-Büfett in der Heinlesmühle vorgesehen. Dabei geben die Gründerväter des Mühlenwanderwegs Anekdotisches aus den Anfangsjahren zum Besten.

Anmeldung
Die Kosten für Wanderung samt Maultaschen-Büfett und zwei Getränken betragen 26 Euro für Erwachsene und 16 Euro für Kinder bis 12 Jahre. Informationen und Anmeldung bei Walter Hieber unter www.waldentdecker.de oder Telefon 0 71 82 / 93 56 97.