Jubiläumsgala der Cranko-Schule Viel Applaus und eine Überraschung
Zum Sinnbild gelebter Solidarität machte der Ballettnachwuchs die Gala zum 50. Geburtstag der John-Cranko-Schule. Für Überraschung sorgte eine Uraufführung – und ein Geschenk.
Zum Sinnbild gelebter Solidarität machte der Ballettnachwuchs die Gala zum 50. Geburtstag der John-Cranko-Schule. Für Überraschung sorgte eine Uraufführung – und ein Geschenk.
Stuttgart - Wäre er nicht auf tragische Weise 1973 viel zu früh gestorben, könnte John Cranko heute ein rüstiger Senior im Alter von 94 Jahren sein. Zu gern hätte man gewusst, was er gesagt hätte über die Gala zum 50-Jahr-Jubiläum der Ballettschule, die er am 1. Dezember 1971 eröffnen durfte. Bestimmt wär’s ihm nicht anders ergangen als dem Publikum am Mittwoch im Opernhaus: Das war überwältigt vom Reichtum an Können und von der Vielfalt an Stilen, die Schuldirektor Tadeusz Matacz mit seinem Team wie aus einem Füllhorn ausgoss.
Modernes war dabei wie zum Beispiel mehrere beeindruckende Damen-Soli: „Woman“ etwa, das Ava Arbuckle von gymnastischer Virtuosität weg, hin zu einer von Zweifeln geplagten Menschlichkeit entwickelte, oder „Ember“, ein heiterer Höhenflug, für den Alice McArthur Kleid, Haare, Tempi und sich selbst zum Abheben brachte.
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Auch ganz Neues gab es wie die Uraufführung „Drifting Bones“, die der Stuttgarter Tänzer Alessandro Giaquinto, selbst ein Zögling der Cranko-Schule, mit großer Musikalität und Gespür für angesagte Bewegungsdetails seiner jungen Mannschaft auf den Leib choreografierte. Und selbst altbekannte Klassiker attackierte der Nachwuchs mit einer Neugierde und Lebendigkeit, dass das Zuschauen reinste Freude war.
Unterstützung gab es von Ex-Schülern, die als Mitglieder des Stuttgarter Balletts beispielhaft zeigten, wohin der Weg führt: zu der von einem grandiosen Trio mit schöner Leichtigkeit ertanzten Komik in Crankos „Pineapple Poll“, zur Ernsthaftigkeit, mit der Marco Goecke in „A Spell on you“ drei Herren in den Wunden des Menschseins wühlen und im Tanz Trost finden lässt.
Wie Kenneth MacMillans „Concerto“ in den Händen von Jolie Lombardo und Clemens Fröhlich von der innigen Verbundenheit eines Paars erzählt, wie in der „Schöpfung“ von Uwe Scholz mit dem Ausnahmetalent Gabriel Figueredo ein Ehemaliger aktuelle Schüler zu Höchstleistung anregt und zeigt, dass man sich in Haydns Musik und Uwe Scholz’ Pathos wie in ein gemachtes Bett sinken lassen kann: Das hätte sicherlich auch John Cranko gefallen.
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Denn immer wieder wurde da auf der Bühne der „Sinn für Gemeinschaft“ beschworen, den der Gründer des Stuttgarter Balletts als ihm wichtiges Ausbildungsziel formuliert hatte. Was Cranko bei der Eröffnung der Schule sagte, ist nämlich gut dokumentiert, wie ein TV-Beitrag des damaligen SDR zu Beginn der Gala zeigte – auch, dass der Choreograf nach zehn Jahren in Stuttgart das Schwäbische durchdrungen hatte: „’s Häusle isch baut, jetzt müssa mr schaffa!“
Und gearbeitet wird in der Schule auf so hohem Niveau, dass sich ihre Absolventen nicht um Jobs sorgen müssen. „Sie können sich aussuchen, wo sie nach ihrer Ausbildung hingehen“, wie Kunstministerin Theresia Bauer in ihrer Ansprache betonte. Der ehemalige Cranko-Schüler Lorenzo Angelini bewies das als Gast aus Mannheim und hatte eine virile Bravournummer dabei.
„Gute Tänzer sind immer willkommen“, hatte Cranko 1971 prophezeit. 50 Jahre später hat die Schule mehrere Generationen von Stars hervorgebracht; einige davon saßen im Publikum. „Es begleitet uns ein leiser Verdacht, gute Arbeit zu leisten“, zitierte Matacz zur Begrüßung bescheiden seinen einstigen Kollegen Petr Pestov. Sehr laut artikulierte dagegen das Galapublikum seine Zustimmung. „Stuttgart hat dem Ballett viel zu verdanken“, fasste sie OB Frank Nopper zusammen. Könnte das mehr als Standortwerbung sein? Das ließ seine eher pflichtschuldige Rede allerdings offen.
Ob im Auszug aus dem Klassiker „Abdallah“, in dem drei Damen mit charmanter Eleganz um einen sprunggewaltigen Herrn und ein Paar goldene Schuhe wetteifern, oder im temporeichen, großbesetzten „Etüden“-Finale: Auch wenn alle Nachwuchstalente im Kampf um die wenigen Arbeitsplätze, die das Stuttgarter Ballett ihnen bietet, Konkurrenten sind, wollen ihre Auftritte ein Sinnbild gelebter Solidarität sein. Schade, dass es Ballettintendant Tamas Detrich am Ende trübte, indem er nur einer einzigen Schülerin noch auf der Bühne einen Vertrag schenkte.