Nur zweimal in 160 Jahren darf Göttin Concordia ihren Logenplatz auf dem Schlossplatz verlassen und zu den Menschen hinab schweben. Das Debakel um kaputte Schrauben sorgt am Dienstag erneut dafür.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Unterm blauen Himmel schwebt sie, von ganz oben herab – mit einem Brett vorm Kopf. Die Göttin der Eintracht sieht nicht viel, weil sie sicher zugebaut und gut geschützt auf den Boden des Schlossplatzes gelangen soll. Im Holzverhau lässt ein 32 Meter hoher Kran am Dienstagvormittag die göttliche Stuttgarterin mit dem schönen Namen Concordia zu den Menschen herab, die in großer Zahl unten am Fuß der Jubiläumssäule hinter den Absperrungen stehen und mit ihren Handykameras diesen seltenen Moment festhalten wollen.

 

Zwar besitzt die Göttin seit 160 Jahren Flügel, nun ist sie aber dennoch auf technische Flughilfe angewiesen. Etliche Passanten sind zufällig vorbei gekommen und freuen sich, diesem stadthistorisch bedeutsamen Ereignis beizuwohnen. Die Bronze-Lady unternimmt einen ihrer seltenen Ausflüge – die Sicht ist klar, die Sonne scheint, optimales Fotografierwetter für eine Aufnahme, die einmal ins Stadtarchiv kommen dürfte.

Erste Sanierung von 2013 bis 2016 nicht erfolgreich

Alles geht sehr schnell. Die Gerüstbauer, die Kranführer, die Restauratoren, die Dame von Vermögen und Bau sowie die Bronze-Lady als Star der Aktion sind wohl ein eingespieltes Team. Ist ja nicht das erste Mal, dass defekte Schrauben als Verbindung zwischen der Kugel, auf dem die Göttin thront, und dem fünf Meter hohen Denkmal eine Reparatur notwendig machen. Die Sanierung von 2013 bis 2016 war nämlich nicht erfolgreich, wie sich im Herbst 2019 herausgestellt hat. Denn es wurden hoch oben unter der Göttin falsche Schrauben befestigt, weshalb es zu korrosionsbedingten Spannungen auf dem Podest mit der Kugel gekommen ist. Teile des Materials flogen herunter, weshalb man jahrelang zum Schutz von Passanten ein Sicherheitsnetz oben auf der Säule spannen musste.

Nun also steht Concordia auf dem Boden hinter Zäunen, ganz so wie ihr Podest in Form einer Kugel, das bei einer zweiten Kranfahrt heruntertransportiert wird. „Wie schwer ist die Göttin denn?“, fragt ein Passant durch die Zäune. Einer der Handwerker lächelt und erwidert: „Das fragt man doch nicht eine Frau!“

Wie lange wird die Göttin nun auf dem Schlossplatz fehlen?

Historiker kennen das Gewicht der Göttin genau. Concordia wiegt 5000 Kilo, sprich fünf Tonnen. Etwa bis Mai wird sie abgesperrt an der Säule stehen, während Experten die Materialien prüfen, damit die Schrauben diesmal mögliche Korrosionsschäden überstehen. Was rein theoretisch mit Bronze funktioniert, hat vielleicht beim Denkmal der Jubiläumssäule nicht hingehauen, weil vor 160 Jahren der Hofbildhauer Ludwig von Hofer sowie Ferdinand von Miller in der Königlichen Erzgießerei in München nicht reine Bronze verwendet haben, sondern bis heute unbekannte Materialien dazu gemischt haben – weshalb die reine Schraubenlehre von Bronze nicht funktioniert.

Die Materialprüfanstalt Stuttgart (MPA) wirft nun ein Auge drauf. Ein Statikbüro wird den Einbau der Schrauben zusätzlich überwachen. Denn regelmäßig sollen die Ausflüge von Concordia nicht wiederholt werden. Sie sind ja auch nicht ganz billig für die Steuerzahler. Genaue Kosten sind laut Finanzministerium nicht bekannt. Ende Mai jedenfalls soll die Göttin wieder auf ihrem Spitzenplatz thronen, dann ohne Sicherheitsnetz. Rechtzeitig vor dem SWR-Sommerfestival auf dem Schlossplatz soll alles fertig sein.